Stadion, Küche und Stadt

Von blusenmetertor

In Buchhandlungen und Infoläden liegen ja immer linke Publikationen rum, die Mehrheit unregelmäßig und in Kleinauflage erscheinende. Zum ersten Mal gesehen habe ich kürzlich Kosmoprolet, ein handlicher Band, auf dem Titel die Zahlen (#)4, 5(€) und 6(CHF).

Die Autor/innen analysieren im Editorial (und weiter hinten im Band) die Erpressung der griechischen Linksregierung durch die EU und das Verhältnis der radikalen Linken zu Staatsmacht und Kapitalismus am Beispiel Syriza. Interessanter (und fairer) fand ich den Aufsatz “Abseits des Spülbeckens”, einen Vergleich und eine Kritik der feministischen Standpunkte von Silvia Federici (“Aufstand in der Küche”) und der Operaistin Mariarosa Dalla Costa.kosmoprolet Es geht um Lohn für Hausarbeit, Streik in der Küche und was das alles mit dem Chef des lohnabhängig beschäftigten Mannes zu tun hat. Man lernt aber auch Dinge aus Randbemerkungen, etwa dass man in Argentinien sein Geschlecht wählen darf und dass Schweden erwägt, Paare zu einem 50/50-Bezug der Elternzeit zu zwingen.

Am besten gefallen hat mir Ralf Hecks sehr instruktiver Beitrag zu “Ultras in den gegenwärtigen Revolten”. Heck blättert eine kurze Geschichte des Fußballs und seiner Fankultur auf, zeichnet den Weg vom Eliten- zum Massensport in England nach und den damit einhergehenden Wandel des Publikums. Pauperisierte junge Männer bilden Hooligangruppen, die in den 60ern und 70ern auch gern Skinhead- oder Dandykluft (“violence and style”) tragen und mit gegnerischen Gruppen um die Vorherrschaft in Stadion und Stadt kämpfen. Hooligans unterstützten laut Heck zum Teil aber auch soziale Revolten und trugen club- oder verbandsintern etwa zu mehr Demokratie und weniger Kommerzialisierung bei. Heck betont (fast schon zu oft), er wolle die Hooligans keineswegs romantisieren. Ebensowenig die italienischen Ultras, die von Beginn weg (Anfang der 70er) eng verzahnt mit der Linken waren, besonders mit Lotta Continua. Bald setzt in England und Italien aber die (teilweise Selbst-)Demontage organisierter Fangruppen ein. Als jüngste Beispiele politischer Betätigung von Ultras schaut Heck nach Ägypten, in die Türkei und in die Ukraine. Heck prognostiziert, dass Ultras auch in künftigen sozialen Revolten mitmischen werden.

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Fußball in der Ukraine. Verblüffende Einheitsfront

Torwart vor leeren Rängen eines Fußballstadions

Von Tom Mustroph

KIEW taz | Eigentlich befindet sich derzeit auch der ukrainische Erstligist Metalurh Saporoshje lediglich in der Winterpause. Anfang März soll der Ball wieder rollen. So sieht es der Spielplan vor. Aber für Metalurh-Coach Anatoli Jantschew lässt sich momentan wenig planen. „Ich weiß wirklich nicht, wie es weitergeht“, sagte er jüngst.

Das ist ein typisches Szenario im ukrainischen Fußball dieser Tage. „Es ist eine wirklich schreckliche Situation. Der Krieg im Osten hat dazu geführt, dass von fünf der einst wirtschaftlich starken Vereine aus dem Donbass nur noch zwei existieren.“ Weil es nicht genug Teams gab, die die finanziellen Bedingungen erfüllten, wurde die Premier League verkleinert.

„Und auch unter den 14 sind zwei Vereine, bei denen der aktuelle Spieltag schon ihr letzter sein kann“, klagt Andriy. Er ist ein Ultra von Dynamo Kiew, die sich im Dezember für das Achtelfinale der Champions League qualifizieren konnten. Teams wie Saporoshje sind für Dynamo keine Gegner mehr. 6:0 schlug der Rekordmeister die Mannschaft, die aus Kostengründen das Heimrecht abtrat.

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