Von addn.me
Die Kritik an der Arbeit sächsischer Behörden reißt nicht ab. Wie auch der aktuelle Fall anschaulich belegt, scheint in Teilen der sächsischen Polizeiführung jegliches Verständnis für Grundrechte abhanden gekommen zu sein. Das zumindest lässt sich aus den Antworten des Sächsischen Innenministers Markus Ulbig (CDU) auf eine Kleine Anfrage von Valentin Lippmann (Die Grünen) schließen. Dieser musst auf Nachfrage einräumen, dass die Polizei eine bis dato vollkommen unbekannte Datei „Gewalttäter Sport“ führt, in der in Sachsen fast 600 Personen erfasst sind. Allein in Dresden betrifft dies 328 Personen aus dem Umfeld der Fußballfanszene der SG Dynamo Dresden, denen die Polizei vorwirft, gewaltbereit zu sein.
Neben Dynamo wurden in der Liste nach Informationen der Freien Presse auch Personen von anderen sächsischen Fußballvereinen aufgeführt. Auf den FSV Zwickau (154) folgen die beiden Leipziger Vereine Lokomotive Leipzig (72) und die BSG Chemie Leipzig (19).
Deutlich weniger Fußballfans wurden beim sächsischen Drittligisten Chemnitzer FC (4) und dem 2014 insolvent gegangenen VFC Plauen (9) aufgeführt. Jeweils eine Person wurde RB Leipzig und dem VfB Auerbach zugeordnet. Auch in zahlreichen anderen Bundesländern waren in den letzten Monaten bislang geheim gehaltene SKB-Datenbanken über Fußballfans publik gemacht worden, in denen sowohl Berufsinformationen, Personenbeschreibungen und Aufenthaltsorte, als auch Fahrzeugdaten und die Position innerhalb einer Fangruppe als Arbeitsgrundlage erfasst wurden.
Die Einrichtung der Datei durch das Sächsische Landeskriminalamt (LKA) sei demnach bereits 2008 in Absprache mit dem Sächsischen Innenministerium (SMI) und dem Datenschutzbeauftragten des Landes (SächsDSB) erfolgt. Die Speicherung der Daten im „ermittlungsunterstützenden Fallanalysesystem Sachsen“ (eFAS) erfolgt nach Aussage des Sächsischen Innenministers nur so lange, wie dies zur „Erfüllung polizeilicher Aufgaben erforderlich ist“. Was darunter zu verstehen ist, bleibt nebulös. Als Grundlage dafür dient §43 des Sächsischen Polizeigesetzes (SächsPolG). Nach einer Prüfung durch eine „automatisierte Routine“ entscheidet spätestens nach zwei Jahren ein „Sachbearbeiter“ über eine Löschung oder im „begründeten Einzelfall“ über eine „rechtlich zulässige“ Verlängerung der Speicherung.
Lippmann zeigte sich verwundert darüber, in einer ersten Anfrage im Februar 2015, nicht über die Existenz einer solchen Datei informiert worden zu sein: „Zwar verweist der Innenminister darauf, dass die Datei mit ‚eFAS‘, dem sog. Ermittlungsunterstützenden Fallanalysesystem Sachsen, erstellt und dieses Verfahren mit dem Datenschutzbeauftragten abgestimmt worden sei. Ich habe allerdings erhebliche Zweifel, dass der Datenschutzbeauftragte im Jahr 2008 tatsächlich über das Ausmaß der Datensammlung unterrichtet wurde.“
Anlass für Zweifel gibt es genug, so hatte Juliane Nagel (Die Linke) ein Jahr zuvor in einer Kleinen Anfrage in Erfahrung gebracht, dass allein in Dresden 769 Anhänger der Schwarz-Gelben durch so genannte „szenekundige Beamte“ in Verbindung mit „Gewalttätigkeiten, sonstigen Straftaten sowie bedeutende Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen und Großveranstaltungen“ polizeilich erfasst wurden. Eine Datensammlung, die nach Aussage von Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) eigentlich schon „vollständig aus dem Betrieb“ genommen worden sein sollte.
Im Unterschied zu der ebenfalls schon mehrfach als „datenschutzrechtlich höchst umstritten“ kritisierten und durch das Bundeskriminalamt (BKA) geführten bundesweiten Datei „Gewalttäter Sport“ wurden in der sächsischen Datenbank offenbar deutlich mehr Personen gespeichert: „All diese Menschen wissen nichts von dieser Speicherung. Es kann sein, dass sie als Zeuge oder auch als Begleitperson in diese Datei gerieten, obwohl sie nie gewalttätig geworden sind.“
Für den Grünen-Politiker ein handfester Skandal, noch dazu ohne rechtliche Grundlage. Als Reaktion auf die parlamentarische Anfrage kündigte ein Sprecher von Sachsens Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig gegenüber dem MDR eine Untersuchung des Vorgangs an und leitete dazu ein Prüfverfahren ein.
Quelle: linksunten.indymedia.org, 07. April 2016