Anhand der legendären Antwort, „Eier, wir brauchen Eier“, des Torhüters und Mannschaftskapitän Oliver Kahn auf die Frage, weshalb seine Mannschaft eine Niederlage einstecken musste und was ihr zum Sieg gefehlt habe, oder dessen Behauptung, der „Fußball ist eine Machobranche“, lässt sich schon erahnen, worum es laut Fußballprofis neben der sportlichen Leistungsfähigkeit, dem ballspielerischen Feingefühl und der taktischen Finesse im Fußballsport ebenso geht. Noch offensichtlicher wird es, wenn der italienische Stürmer Christian Vieri auf die Kritik von Journalist_innen an seinem fußballerischen Können bei der Herenfußballeuropameisterschaft 2004 aggressiv erwidert: „Ich bin männlicher als ihr alle zusammen“. Fußball tritt in diesen Aussagen als eine Sportdisziplin hervor, die mit Männlichkeit in Verbindung steht. Allerdings ist er nicht nur irgendein männlich konnotierter Mannschaftssport, sondern gilt in ganz Europa als der Männlichkeitssport schlechthin. ‚Richtige’ Männer, so die einhellige Meinung, interessieren sich für Fußball und sehen sich mit männlichen Freunden, Kollegen oder Familienmitgliedern Fußballmatches im Stadion oder zumindest die TV-Übertragungen von Liga- und Länderspielen an. Im besten Fall üben sie das Fußballspiel selber aus. Fußball, so heißt es, sei für die Herren der Schöpfung eben schlichtweg ‚die schönste Nebensache der Welt’.
Der Vortrag möchte dem Androzentrismus des Fußballsports auf den Grund gehen und erläutert, wie die symbolische Einheit von Fußball und Männlichkeit, die keinesfalls in der Natur der Sache (des Sports; der Männlichkeit; des Fußballs) liegt, zustande kommt. Zugleich soll herausgestellt werden, welche Gestalt das für das Feld des Fußballs hegemoniale Männlichkeitsmuster aufweist, durch welche Geschlechtspraxen es beständig konstruiert und stabilisiert wird und woher es seine unhinterfragbare Selbstverständlichkeit bezieht. Im Anschluss an die Ausführungen Rawyn Connells und Pierre Bourdieus soll die Fußballkultur dabei als ein männlich-homosozialer Raum begriffen werden, der sich grundlegend durch eine doppelte Dominanz- und Distinktionsstruktur auszeichnet und damit die Konstruktion einer Männlichkeit forciert, die sich über männliche Konkurrenzverhältnisse und über die Abwertung von Frauen und schwulen Männern definiert. Vor diesem Hintergrund soll dann die Überlegung getätigt werden, wie kritische Fanpolitiken aussehen (können), die zur Irritation und damit zu einer Entselbstverständlichung der hegemonialen Fußballmännlichkeit beitragen.
Martin Thiele ist Diplom Erziehungswissenschaftler und studierte an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Aktuell promoviert er zum Thema der Jungensozialisation im Fußballsport.