Im Folgenden eine etwas ausgeartete Antwort auf einen Kommentar von Karl auf meinen Blogbeitrag vom Mittwoch Der kommende Spieltag, ein gekillter Fan in Polen und der Streik der Bahner.
>>Also wenn Solidarität, dann mit allen Streikenden.
Da stimme ich dir vollkommen zu, Karl. Und du hast auch Recht mit deiner Aussage, dass die Arbeit, die in Kitas und Sozialeinrichtungen von den dort Beschäftigten geleistet wird – und dies zudem oft zu prekären und mies bezahlten Bedingungen – viel zu gering geschätzt wird. Nicht nur deshalb ist es absolut zu begrüßen, dass sie sich nun gemeinsam zur Wehr setzen. In dieser Hinsicht geht es mir um keine Priorisierung von Streiks und ich unterstütze erstmal alle Lohnabhängigen, die gegen eine Verschlechterung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen kämpfen und noch besser: für eine Verbesserung der selbigen! Egal, ob dies in Kitas, bei der Lufthansa, im Knast oder eben bei der Bahn geschieht. Leider finden Streiks jedoch meist komplett getrennt voneinander statt und wir stehen uns als Konsumenten und Malocher gegenüber – immer in wechselnden Rollen und ohne dies zu hinterfragen. Kaufe ich gerade ein oder bin ich der, der an der Kasse sitzen muss? Wird das Kind schnell der Kita-Beschäftigten in die Hand gedrückt, um zur eigenen Arbeit zu hetzen oder sehe ich mich mit einer Situation konfrontiert, als Erzieher zwanzig Schreihälse gleichzeitig bespaßen zu müssen? Will ich rechtzeitig im Stadion sein oder bin ich die Lokführerin, die gerade ihre zwanzigste Überstunde schiebt?
Zwischen den Taliban der Fußballfans und den Lokführer-Terroristen bei der Bahn gibt es jedoch einige gemeinsame Bezugspunkte, nicht nur hinsichtlich ihrer derzeitigen Beliebtheit bei der schreibenden Zunft: Seit jeher stellt die Bahn das wichtigste Transportmittel für Fußballanhänger dar. In einer Welt der Trennungen stehen sich jedoch auch reisende Fußballfans auf der einen und das schuftende Bahnpersonal auf der anderen Seite oftmals feindselig gegenüber. Während die einen sich nach einer Woche voller Mühsal von ihren Strapazen am Arbeitsplatz, in der Schule oder der Universität erholen wollen, sind die anderen genau zu jener Zeit diesen Belastungen (an Spieltagen sogar in verstärkter Form) ausgesetzt. Dass dies nicht konfliktfrei abläuft, liegt auf der Hand.
Deshalb bieten sich zwei Szenarien – nicht nur für das kommende Wochenende – an: Das erste – leider wesentlich realistischere – führt die vorhandenen Spaltungen einfach weiter fort: „Wieso kämpft der für eine einstündige Reduzierung seiner wöchentlichen Arbeitszeit auf 38 Stunden, wo meine Woche doch gerade erst um zwei verlängert wurde – und dies ohne Lohnausgleich?“ „Was? Die verdienen 1500 € netto? Und streiken auch noch? Ich hab’ gerade mal den Mindestlohn von 8,50 €“ „Letztens hatte ich ’nen Prozess wegen Schwarzfahren am Hals und jetzt soll ich mit diesen Wichsern solidarisch sein?“ Diese Beispiele ließen sich endlos fortsetzen …
Ein Streik bietet aber auch immer die Möglichkeit, Trennungen zu überwinden, die eigene Rolle zu reflektieren und, vor allem, mit den anderen ins Gespräch zu kommen und sich – durchaus auch kritisch – einzubringen. Was spräche denn dagegen, seine Solidarität mit den Forderungen der Malocher (mehr Lohn und weniger Arbeit) zu zeigen, aber zu äußern, dass einen gewerkschaftliche Anerkennungskämpfe nicht die Bohne interessieren? Oder mal darüber nachzudenken, ob ein Streik im eigenen Betrieb oder an der Universität nicht auch mal angesagt wäre, um aus dieser ständigen Abwärtsspirale auszubrechen? Es gab in letzter Zeit einige spannende Projekte von Ultras und anderen Fußballfans in Solidarität mit Flüchtlingen. Wie stehen denn eigentlich die Streikenden zu den auf ihren Bahnhöfen stattfindenden Razzien der Bullen gegen illegalisierte Migranten? Wie zu den Säuberungen ebendieser Bahnhöfe von so genannten Pennern?
Alleine werden die Transportarbeiter bei der Bahn ihren Kampf ganz sicher nicht gewinnen können. Das steht fest. Aber was würde geschehen, wenn am Wochenende Fußballfans in den Stadien und den Bahnhöfen massenhaft ihre Solidarität mit den Streikenden zeigen würden? Was würde passieren, wenn die getrennt voneinander ablaufenden Kämpfe der Kita-Bediensteten und die der Lokführer zusammenkommen würden? Die streikenden Erzieherinnen könnten etwas mehr Macht sicherlich ganz gut gebrauchen und die Lokführer würden sich dann vielleicht nicht mehr nur alleine darauf verlassen, die ganze Republik zum Stillstand bringen zu können und sich endlich mal aus ihren (Streikzelt-)Löchern wagen. Vielleicht könnten wir dann sogar alle – zumindest mal darüber nachdenken – wie wir das, was uns zerstört, zerstören und für ein anderes Leben kämpfen können …
Ja, ich weiß, wir sind hier in Deutschland und nicht in Ägypten oder der Türkei und dies ist ganz sicherlich das weit weniger realistischere Szenario … Also einfach nur wieder Bratwurst essen, Bier trinken und sein Team anfeuern? Wie immer?
In diesem Sinne,
R. (footballuprising.blogsport.eu)