»Sie können uns nicht alle töten«

In Ägypten werden aus Ultras Terroristen. Die Folge sind Todesstrafen, Folter und Verfolgung. Ein Mitglied der gejagten »White Knights« berichtet.

Als 2011 in Ägypten Millionen Menschen den Langzeitdiktator Hosni Mubarak stürzten, standen Ultras an der Spitze der Protestbewegung. Bis heute nimmt das Regime Rache an den Fußballfans. Sie werden verfolgt, inhaftiert, und nach Aussagen von betroffenen Fans gar gefoltert oder zum Tode verurteilt. Einige Mitglieder der »White Knights«, Ultras von Zamalek Kairo, sind von der Regierung offiziell zu Terroristen ausgerufen worden. Der »White Knight«-Anhänger Yussuf ist einer von ihnen. Seinen vollen Namen will er aus nachvollziehbaren Gründen nicht nennen.

Yussuf, du warst Fan des ägyptischen Fußballvereins Zamalek. Seit rund einem Monat bist du Terrorist. Was ist los?
Ich bin immer noch Zamalek-Fan. Aber das Regime will uns zu Terroristen machen. Ein Gericht in Kairo – das »Gericht für dringende Angelegenheiten« hat Mitte Mai alle Ultra-Gruppen in Ägypten zu Terroristen erklärt, nicht nur die »White Knights« von Zamalek. Wir dürfen uns nicht mehr in der Öffentlichkeit versammeln, zu Fußballspielen dürfen wir schon seit Jahren nicht mehr.

Bis du in Gefahr?
Ich denke schon. Vor einem Jahr hat das Regime angefangen, uns zu verhaften. Die meisten meiner Freunde haben sie mitgenommen. Die sitzen jetzt irgendwo in den Gefängnissen des Geheimdienstes und du hörst nie wieder etwas von ihnen.

Was würde passieren, wenn sie dich kriegen?
Bisher kam niemand von denen, die sie verhaftet haben, wieder zurück. Sie sitzen nackt in überfüllten Zellen, werden mit Stromstößen gefoltert. Der Geheimdienst tut einfach alles, um sie zu Geständnissen zu zwingen. Sie sollen zugeben, dass sie politisch gegen die Regierung aktiv sind.

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Football, death & politics: how fans might spark another Egyptian uprising

Football, death & politics: how fans might spark another Egyptian uprising

Von James M. Dorsey

The crackdown

  • Former Egyptian president Morsi and 90 others sentenced to death by an Egyptian court.
  • 11 members of a football group, called the Ultras, also sentenced.
  • The offence: a brawl in Port Said in which 74 football fans died.

The resistance

  • The Ultras have been driving anti-government protests in Egypt. In 2011, the Ultras were the first-line of defence at Tahrir Square.
  • Sentencing them to death may be a miscalculation by the authorities.

The fallout

  • This crackdown on football fans and students may fuel another uprising.
  • The drawback: Ultras now fear they are losing their young people to ISIS.

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Egypt football fans ‘tortured’ into confessions over stampede

Von Abdelhalim Abdallah

Cairo (AFP) – After five days’ of searching, Mahmoud Hemdan found his brother “beaten and tortured” at a Cairo police station before he was charged over a deadly football stadium stampede.

Ashraf Hemdan, 21, and his teenage nephew Ali are among 16 defendants on trial accused of sparking the crush in February that killed 19 people during a match in the Egyptian capital.

“Ashraf is innocent. He told me he was beaten and tortured with electric shocks to private parts of his body,” Hemdan told an AFP correspondent at his home in a village on Cairo’s outskirts.

Ali’s mother Nagat said she was shocked when she saw her 14-year-old son in jail.

“I couldn’t hug him — his body was covered in bruises and marks from electric shocks.”

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Gericht bestätigt Todesurteile gegen Fußball-Ultras

Ägypten: Gericht bestätigt Todesurteile gegen Fußball-UltrasUrteil wegen des Vorfalls von Port Said: Angeklagte in Kairo   |  © Mohamed El-Shahed/AFP/Getty Images

Elf Gewalttäter, die vor drei Jahren in Port Said eine brutale Randale auslösten, sollen sterben. Ein Gericht bestätigte die Todesurteile – nach Prüfung durch den Mufti.

Ein ägyptisches Gericht hat die Todesurteile gegen elf Fußball-Ultras bestätigt, die 2012 an Fan-Ausschreitungen beteiligt gewesen sein sollen, bei denen es die meisten Toten gab in der Geschichte des Landes. Nachdem der Mufti, die höchste staatliche Glaubensautorität im Land, seine Meinung zu dem Verfahren kundgetan hatte, bekräftigten die Richter in den elf Fällen ihre Entscheidung vom Januar 2013. 40 der 73 Angeklagten erhielten bis zu 15 Jahre Haft, der Rest wurde freigesprochen.

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Staat gegen Ultras

Gedenken an 72 Fußballfans, die während eines Rachefeldzugs der Gedenken an 72 Fußballfans, die während eines Rachefeldzugs der Polizei im Februar 2012 bei einem Ligaspiel in Port Said ermordet worden waren: Die Ultraszene skandierte am 9. März 2013 in Kairo ihre Vorwürfe gegen das Innenministerium Foto: Amr Dalsh / Reuters

Von Sofian Philip Naceur, Kairo

Seit der Rebellion auf dem Tahrir-Platz 2011 kriminalisiert Ägyptens Polizei die Ultraszene der obersten Fußballiga aufs äußerste. Immer wieder ist der Tod von Fans zu beklagen.

Drei Jahre hatte es gedauert. Drei Jahre Unruhe, Kampf und banges Warten auf eine Rückkehr zur Normalität im ägyptischen Profifußball. Dann, am 8. Februar 2015, war es soweit. Nach dem bis heute nicht vollständig aufgeklärten Massaker im Stadion von Port Said am 1. Februar 2012, bei dem 72 Fußballfans zu Tode kamen, war es den Anhängern des Kairoer Spitzenklubs Zamalek SC erstmals wieder erlaubt, im Stadion einer Ligapartie ihres Teams beizuwohnen. Tausende Fans strömten euphorisch und ausgelassen zum armeeeigenen Air-Defence-Stadion in einem Vorort von Kairo. Doch schon vor Anpfiff des Spiels zwischen Zamalek und dem zum gleichnamigen Erdölkonzern gehörenden Klub ENPPI in der Oberklasse-Vorstadt Neu-Kairo kam es zum Unglück. Hunderte Menschen warteten vor einem Eingangstor des Stadions in einem von Eisenzäunen gesäumten Gang dicht gedrängt auf Einlass, als Tränengasgranaten der Bereitschaftspolizei eine Massenpanik auslöste. Dabei starben offiziellen Angaben zufolge 19 Zamalek-Anhänger. Die Fanorganisation Ultras White Knights (UWK) spricht von 22 Toten.

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Egyptian football. Red card for the ultras

The sport’s most volatile supporters are banned

FOOTBALL, like politics, arouses strong passions in Egypt. Bring the two together and you get a combustible mixture. Add police brutality and you get the explosive atmosphere of Egypt’s football league.

Rivalries between opposing clubs are heated. The league was cancelled in 2012 after a brawl at a match in Port Said left 74 dead. (Play was suspended the next year, too.) But the animosity between Egypt’s hard-core fans, known as “ultras”, and the authorities—who share blame for the Port Said violence—is even fiercer. Matches are now played behind closed doors, without fans, to avoid incidents. On May 16th a court in Cairo tried to stamp out any remaining embers by banning ultra groups.

The case against the ultras was brought by Mortada Mansour, the chairman of Cairo-based Zamalek SC and a supporter of Abdel-Fattah al-Sisi, Egypt’s president. Mr Mansour is hated by fans, who doused him with urine last year. He calls the ultras “terrorists”. When 22 people were killed in a stampede outside a match in February, fans blamed aggressive police. But Mr Mansour said the ultras provoked the security forces. Pressed for an explanation, he replied: “Ask the Muslim Brotherhood.”

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Egypt bans ultras in bid to break anti-government protests

Von James M. Dorsey

An Egyptian court has banned militant soccer fan groups or ultras as terrorist organizations in a bid to break the backbone of anti-government protests.

The ruling at the request of Mortada Mansour, the controversial, larger than life president of Cairo’s storied Al Zamalek SC who alleged that his club’s ultras, the Ultras White Knights (UWK), tried to assassinate him, pushes further underground groups that often offer despairing youth a rare opportunity to vent their pent-up anger and frustration peacefully.

Ultras have for the past eight years been at the core of anti-government protest in Egypt. They have been the drivers of student protests in the last two years against the regime of Abdel Fattah Al Sisi, the general-turned-president who in 2013 toppled Mohammed Morsi, Egypt’s first and only democratically elected president.

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Ägypten. Gericht verbietet Ultras-Gruppierungen

Ein Gericht in Kairo hat am Samstag alle Vereinigungen von Fußball-Ultras im Land verboten und ihre Auflösung angeordnet. Das Gericht folgte einem Antrag von Murtada Mansur, dem Präsidenten des Top-Klubs Zamalek Kairo. Das berichtete die regierungsnahe Internetseite “ahram.org”. Mansur war eng mit dem Regime des 2011 zurückgetretenen Langzeitherrschers Husni Mubarak verflochten. Er pflegt eine tiefe Feindschaft zu den Zamalek-Ultras, den White Knights.  Die Ultra-Szene in Ägypten ist stark politisiert. Blutige Ausschreitungen wie in Port Said im Februar 2012 mit über 70 Toten und in Kairo im letzten Februar mit 22 Toten lassen sich nicht nur mit brutal ausgetragenen Rivalitäten zwischen Fan-Gemeinden erklären. So unterstützten die White Knights und andere Ultras die Revolution von 2011, die Mubaraks Abgang erzwang. Mansur war wiederum einer der Unterstützer jener bewaffneten Gruppen, die am 2. Februar 2011 auf Kamelen und Pferden die Demonstranten auf dem Kairoer Tahrir-Platz angriff.

Quelle: RP Online, 16. Mai 2015

Journalist über Ultras im Nahen Osten: „Durch Straßenkämpfe gestählt“

Ob Straße oder Stadion – die Ultras des ägyptischen Clubs al-Ahly wissen, wie man Eindruck macht.  Bild: dpa

Von Christopher Resch

Fußball ist eine Arena, in der um politische Kontrolle gekämpft wird, sagt James M. Dorsey. Dort werden gesellschaftliche Tabus zuerst gebrochen.

taz: Herr Dorsey, eigentlich mögen Sie Fußball gar nicht besonders. Warum beschäftigen Sie sich so intensiv mit dem Sport?

James M. Dorsey: Vor fast 30 Jahren musste ich als Korrespondent die mexikanische Fußball-Nationalmannschaft auf ihrer ersten Reise in den Nahen Osten begleiten. Ich habe mich damals dagegen gesträubt, ich war kein Fußballfan und bin auch heute keiner. Rückblickend aber war alles, was heute in der Region passiert, in dieser Reise schon enthalten. Das habe ich erst später realisiert.

Wie meinen Sie das?

Nirgendwo auf der Welt hat Fußball eine so große Rolle gespielt wie in Nordafrika und dem Nahen Osten. Fußball war hier immer ein entscheidender Faktor, für den Aufbau von Nationen und Regimes und für ihr Überleben. Aber eben auch als eine Arena, in der um persönliche Rechte und politische Kontrolle gekämpft wurde. Gesellschaftliche Tabus, wie die Kritik an der Regierung, werden zuerst hier gebrochen. Es gibt zwei Orte, die die Regierung nicht vollständig kontrollieren kann: die Moschee und das Stadion. In der Moschee können die Herrscher immerhin bestimmen, wer auf die Kanzel steigt und predigt. In den Stadien ist das nicht so einfach.

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