Journalist über Ultras im Nahen Osten: „Durch Straßenkämpfe gestählt“

Ob Straße oder Stadion – die Ultras des ägyptischen Clubs al-Ahly wissen, wie man Eindruck macht.  Bild: dpa

Von Christopher Resch

Fußball ist eine Arena, in der um politische Kontrolle gekämpft wird, sagt James M. Dorsey. Dort werden gesellschaftliche Tabus zuerst gebrochen.

taz: Herr Dorsey, eigentlich mögen Sie Fußball gar nicht besonders. Warum beschäftigen Sie sich so intensiv mit dem Sport?

James M. Dorsey: Vor fast 30 Jahren musste ich als Korrespondent die mexikanische Fußball-Nationalmannschaft auf ihrer ersten Reise in den Nahen Osten begleiten. Ich habe mich damals dagegen gesträubt, ich war kein Fußballfan und bin auch heute keiner. Rückblickend aber war alles, was heute in der Region passiert, in dieser Reise schon enthalten. Das habe ich erst später realisiert.

Wie meinen Sie das?

Nirgendwo auf der Welt hat Fußball eine so große Rolle gespielt wie in Nordafrika und dem Nahen Osten. Fußball war hier immer ein entscheidender Faktor, für den Aufbau von Nationen und Regimes und für ihr Überleben. Aber eben auch als eine Arena, in der um persönliche Rechte und politische Kontrolle gekämpft wurde. Gesellschaftliche Tabus, wie die Kritik an der Regierung, werden zuerst hier gebrochen. Es gibt zwei Orte, die die Regierung nicht vollständig kontrollieren kann: die Moschee und das Stadion. In der Moschee können die Herrscher immerhin bestimmen, wer auf die Kanzel steigt und predigt. In den Stadien ist das nicht so einfach.

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Nachbetrachtung und Richtigstellung: Ein toter polnischer Fan, ein beendeter Streik und (keine) klassenkämpferische(n) Ultras

R.I.P Dawid Gedenken an polnischen FanRot Weiss Essen gegen KFC Uerdingen am 08. Mai 2015

In meinen beiden Beiträgen von letzter Woche, Der kommende Spieltag, ein gekillter Fan in Polen und der Streik der Bahner sowie Bratwurst oder Bambule? setzte ich mich mit den Möglichkeiten von Fanaktionen zum aktuellen politischen und sozialen Geschehen auseinander.

Das erste darin erwähnte Ereignis wurde – wenig überraschend – in sehr vielen, nicht nur deutschen Stadien, am letzten Wochenende zahlreich kommentiert: Beim Viertligaspiel in Knurów bei Katowice am 02. Mai wurde ein 27-Jähriger Fan von einem Gummiprojektil der Polizei am Hals getroffen und starb in einem Krankenhaus. Daraufhin griffen Hooligans die Polizeistation in Knurów, das rund 40.000 Einwohner hat, mit Steinen und Molotowcocktails an. Ein lesenswerter Beitrag zu den Solidaritätsaktionen sowie den Hintergründen findet sich auf Ballesterer Online: Fan, Vater, Kumpel. Ein weiterer bei Faszination Fankurve: Große Anteilnahme am Tod von Dawid.

Anders verhielt es sich jedoch – wenn auch nicht unerwartet – in Bezug auf die Streikenden bei der Bahn. Meines Wissens kam es zu keinerlei Äußerungen der Solidarität seitens der Fans – weder auf den Bahnhöfen noch in den Stadien. Die (organisierten) Fußballfans scheinen mit dieser Ignoranz allerdings voll im gegenwärtigen Trend zu liegen. Auch von Seiten der (radikalen) Linken wie auch von Basisgewerkschaftern kam es allenfalls hier und da zu kleineren Solidaritäts-Akti(önch)en sowie zu zahnlosen Solidaritätsbekundungen in Form langweiliger Traktate. Keinen besetzten Bahnhof, keine mächtige Demo und auch nicht “die eine oder andere direkte Aktion gegen die Streikfeinde”, wie es das Lower Class Magazine empfahl, gab es zu verzeichnen.

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Ultra lernresistent

Von André Anchuelo

Drei Beispiele aus den vergangenen Wochen zeigen: Die deutsche Polizei verharmlost weiter die drohende Gefahr durch rechte Hooligans, verfolgt lieber Antifaschisten und verbietet »Fahnen von Juden«.

Es ist schon typisch, wie sich der Pressesprecher der Polizei Bremen, Dirk Siemering, gegenüber der Tageszeitung Weser-Kurier äußerte: »Da haben sich zwei gewaltbereite Gruppen gesucht und gefunden.« Nazis gegen Antifas, rechts gegen links – was sich vor zweieinhalb Wochen rund um das 102. Nordderby in der Fußball-Bundesliga zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV zutrug, passt einmal mehr in das Weimar-Narrativ von der sich gegenseitig aufschaukelnden Gewalt der politischen Extreme.

Dabei deutet vieles daraufhin, dass die Polizei selbst mit ihrer von Unkenntnis und Hau­drauf-Mentalität geprägten Einsatztaktik die Eskalation erst ermöglichte. Was war passiert? Zeugenaussagen zufolge waren nach Spielende etwa 15 Personen aus der weitgehend antirassistischen Bremer Ultraszene in Richtung Stadion gelaufen. Sie hatten die Partie in einer Kneipe verfolgt, wollten nun aber vor der Arena ihre Freunde treffen. Auf dem Weg dorthin kamen sie an der Kneipe »Verdener Eck« vorbei, wo sich 40 bis 50 Bremer Hooligans aufhielten, darunter bekannte Größen aus der Neonazi-Szene der Hansestadt. Nach Informationen der Taz waren unter anderem »Captain Flubber«, einer der Organisatoren von »Hooligans gegen Salafisten« (Hogesa), Hannes Ostendorf, der Sänger der rechten Band »Kategorie C«, und Mirco Hornstein von »Nordsturm Brema« dort. Die Nazi-Hools griffen die Ultras körperlich an, diese flüchteten. Auf dem Weserdeich vor dem Stadion wurden sie dann von Polizisten eingekesselt. Das bestätigte Daniel Behm, ein Mitarbeiter des Bremer Fanprojektes, gegenüber Spiegel Online.

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Revolutionär für Freunde und Mädchen

Von Christian Helten

Abdo ist Fußball-Ultra und Revolutionär auf dem Tahrirplatz in Kairo. Jakob Gross hat ihn für einen Dokumentarfilm begleitet. Der zeigt, dass es bei einer Revolution oft gar nicht nur um Politik geht.

jetzt.de: Jakob, wenn du in einem Satz erklären müsstest, wer Abdo ist – was würdest du sagen?
Jakob Gross: Ein Mensch, der erwachsen wird und auf der Suche nach sich selbst ist – und der diese Lebensphase mitten in einer Revolution durchlebt.

Dein Film ist aber kein klassisches Porträt eines jungen Rebellen.
Stimmt. Ein klassisches Porträt würde Abdo als revolutionären Helden mit klaren politischen Absichten darstellen. Ich sehe in Abdo aber vielmehr einen jungen Typen, der plötzlich in gesellschaftliche Umbrüche reingeworfen wird. Ich will damit nicht sagen, dass Abdo kein Revolutionär ist. Die Frage ist ja: Kann man sich da überhaupt richtig entscheiden oder ist man einfach eh mittendrin?

Damit stellst du ja letzten Endes auch die Frage, was das überhaupt heißt: ein Revolutionär sein.
Ja, denn dieser Begriff ist natürlich total aufgeladen. Revolutionäre werden oft als altruistisch handelnde Menschen dargestellt, die gegen das böse System kämpfen. Dabei sind die Motivationen auf die Straße zu gehen um einiges komplexer. Abdo zeigt sich zum Beispiel auch als den harten Kämpfer an der Front, um Mädchen und Freunde zu beeindrucken.

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Judge who faced assassination attempt was due to acquit Ultras

Von Emir Nader

Zamalek club chief was set to drop charges against 21 Ultras White Knights he accused of making an attempt on his life

The judge who survived an assassination attempt Sunday morning was due to acquit 21 members of hardcore fan group Ultras White Knights, who themselves are accused of attempting to assassinate Zamalek club chairman Mortada Mansour last year.

Judge Moataz Khafaga, head of the Giza Criminal Court, was set to rule on the case of the 21 fans Sunday, before the case was called off following a car bomb exploding outside his Helwan house. However, the attack is seen as related to Khafaga’s work in cases that accuse Muslim Brotherhood members of terrorist activities.

Mortada Mansour, the outspoken lawyer and chairman of Zamalek sporting club, was reportedly intending to drop the case in which he alleges that his club’s Ultras fan group made an attempt on his life in August of last year. He claimed that members of the Ultras attempted to shoot him as he was leaving the club in the early hours of the morning. In what followed, numerous members of the UWK had their houses raided and were arrested.

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Bericht: »Es gibt keinen richtigen Ballsport im Falschen – Fußball und Kapitalismus«

Auf die Veranstaltung »Es gibt keinen richtigen Ballsport im Falschen – Fußball und Kapitalismus« in Köln wurde auch auf diesem Blog hingewiesen. Für all jene, die es nicht schafften, dort persönlich vorbeizuschauen, veröffentlichte nun Ricordate auf Zeckenbiss Online einen ausführlichen und lesenswerten Bericht: http://sanktpaulimafia.blogsport.de/zeckenbiss-online/

Bratwurst oder Bambule?

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Im Folgenden eine etwas ausgeartete Antwort auf einen Kommentar von Karl auf meinen Blogbeitrag vom Mittwoch Der kommende Spieltag, ein gekillter Fan in Polen und der Streik der Bahner.

>>Also wenn Solidarität, dann mit allen Streikenden.

Da stimme ich dir vollkommen zu, Karl. Und du hast auch Recht mit deiner Aussage, dass die Arbeit, die in Kitas und Sozialeinrichtungen von den dort Beschäftigten geleistet wird – und dies zudem oft zu prekären und mies bezahlten Bedingungen – viel zu gering geschätzt wird. Nicht nur deshalb ist es absolut zu begrüßen, dass sie sich nun gemeinsam zur Wehr setzen. In dieser Hinsicht geht es mir um keine Priorisierung von Streiks und ich unterstütze erstmal alle Lohnabhängigen, die gegen eine Verschlechterung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen kämpfen und noch besser: für eine Verbesserung der selbigen! Egal, ob dies in Kitas, bei der Lufthansa, im Knast oder eben bei der Bahn geschieht. Leider finden Streiks jedoch meist komplett getrennt voneinander statt und wir stehen uns als Konsumenten und Malocher gegenüber – immer in wechselnden Rollen und ohne dies zu hinterfragen. Kaufe ich gerade ein oder bin ich der, der an der Kasse sitzen muss? Wird das Kind schnell der Kita-Beschäftigten in die Hand gedrückt, um zur eigenen Arbeit zu hetzen oder sehe ich mich mit einer Situation konfrontiert, als Erzieher zwanzig Schreihälse gleichzeitig bespaßen zu müssen? Will ich rechtzeitig im Stadion sein oder bin ich die Lokführerin, die gerade ihre zwanzigste Überstunde schiebt?

Zwischen den Taliban der Fußballfans und den Lokführer-Terroristen bei der Bahn gibt es jedoch einige gemeinsame Bezugspunkte, nicht nur hinsichtlich ihrer derzeitigen Beliebtheit bei der schreibenden Zunft: Seit jeher stellt die Bahn das wichtigste Transportmittel für Fußballanhänger dar. In einer Welt der Trennungen stehen sich jedoch auch reisende Fußballfans auf der einen und das schuftende Bahnpersonal auf der anderen Seite oftmals feindselig gegenüber. Während die einen sich nach einer Woche voller Mühsal von ihren Strapazen am Arbeitsplatz, in der Schule oder der Universität erholen wollen, sind die anderen genau zu jener Zeit diesen Belastungen (an Spieltagen sogar in verstärkter Form) ausgesetzt. Dass dies nicht konfliktfrei abläuft, liegt auf der Hand.

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Bundesliga-Endspurt mit Bus statt Bahn

Von Ralf Lorenzen

Ob der Bahnstreik noch pünktlich zum Bundesliga-Anpfiff am Wochenende beendet wird oder nicht – er hat die Reisepläne Tausender Fußballfans so oder so kräftig durcheinander gewirbelt. Damit die Anhänger ihre Mannschaft im Saison-Endspurt dennoch unterstützen können, leisten die Fan-Betreuer der Klubs ganze Arbeit. 

Die Fan-Betreuer der Bundesligisten tauchen meist dann in der Öffentlichkeit auf, wenn es Ärger zwischen Vereinen und Anhängern gibt. Ihre tägliche Arbeit wird kaum wahrgenommen. Die besteht auch darin, den Fans  die Teilnahme an Auswärtsspielen zu erleichtern. Und das ist in diesen Tagen des Bahnstreiks keine leichte Aufgabe.

Kein Glück wie beim letzten Streik

“Als ich gehört habe, dass gestreikt wird, habe ich zunächst gehofft, dass wir so viel Glück wie beim letzten Bahnstreik haben,“ sagt Michael Pisot, der seit gut einem Jahr Fan-Beauftragter der TSG 1899 Hoffenheim ist, im Gespräch mit zdfsport.de. “Dort hatten wir einen Sonderzug nach Freiburg gechartert und drei Tage vorher wurde der Streik beendet.“Diese Hoffnung trog. “Soeben kam die Absage der Bahn, das heißt wir werden nicht wie geplant mit dem Sonderzug nach Frankfurt fahren“, hieß es am Dienstagvormittag auf der Homepage des Fan-Dachverbandes Supporters Hoffenheim, der für 500 Anhänger einen Sonderzug der Deutschen Bahn gechartert hatte. Seitdem steht auch das Telefon von Pisot kaum still.

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Der kommende Spieltag, ein gekillter Fan in Polen und der Streik der Bahner

Update 01. Juni 2015 – Weitere Artikel von footballuprising zu diesem Thema:
Streiksupport im Fußballstadion
Nachbetrachtung und Richtigstellung: Ein toter polnischer Fan, ein beendeter Streik und (keine) klassenkämpferische(n) Ultras
Bratwurst oder Bambule?

Bildergebnis für klassenkampf

Das kommende Wochenende verspricht fußballerisch allergrößte Spannung. In den letzten Spieltagen der Saison werden Meister gekürt, Auf- und Abstiege besiegelt und in der 1. Bundesliga werden zusätzlich noch die Teilnehmer für die europäischen Pokalwettbewerbe ermittelt. Doch auch darüber hinaus könnte der kommende Spieltag an Brisanz gewinnen. Von der polnischen Fanszene gibt es einen an die Nachbarländer gerichteten Solidaritätsaufruf aufgrund des von einem Bullen getöteten Fans. Und auch der am Dienstag begonnene Streik der Lokführer sowie anderer Teile des Bahnpersonals wird mindestens indirekten Einfluss auf die An- und Abreisewege zehntausender Fußballanhänger haben. Ob sich die (organisierten) Fußballfans jedoch solidarisch zu den kämpfenden Arbeitern bei der Bahn verhalten, diesem Streik gleichgültig gegenüberstehen oder aber im Chor des Mainstreams gegen ihn krakeelen werden, bleibt abzuwarten.

Als der Streik des Zugpersonals letzten Dienstagmorgen begann, erinnerte ich mich wieder an folgende Zeilen: „Man muss nur Parallelen ziehen, unser Leben und unseren Alltag kritisch betrachten, sich einmischen und fortschrittliche Bewegungen und Proteste unterstützen […] Dann geht es nicht mehr um ein verlorenes Spiel oder eine wunderbare Choreografie, dann geht es um das Leben aller, die an diesem System (und damit an ihrem Leben) etwas ändern möchten.“ So stand es in dem kürzlich im Ultra-Fanzine Blickfang Ultra erst- und auf unserem Blog dann wiederveröffentlichten Text ULTRAS: Werte fürs Leben!. Die Aufstände der letzten Jahre – mit großer Beteiligung von Fußballfans in Ägypten, Brasilien sowie der Türkei – vor Augen, setzten sich die Verfasser mit dem Protest-Potenzial der hiesigen Ultraszene kritisch auseinander. Sie verhehlten auch nicht, wohin ihrer Meinung nach die Reise gehen sollte: „Wir müssen erkennen, dass wir unseren kritischen Blick im Bezug auf Kommerzialisierung, Polizeigewalt und (Vereins-)Politik nicht nur rund um den Fußball einsetzen.“

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