„Mit der Formel ‚Fussball als Realitätsmodell‘ will ich sagen, dass man das, was man für die Welt hält – seine eigene Welt und die äußere – von vielen Punkten her begreifen kann.“ Klaus Theweleit sprach in der letzten der diesjährigen Weimarer Reden über die Gewaltabfuhr im Sport.
Klaus Theweleit schloss die Weimarer Reden 2015, die unter dem Thema „Die Welt als Spiel? Chancen und Risiken unserer Freiheit“ stehen. Foto: Maik Schuck
Weimar. Die vollständige Rede vonKlaus Theweleit:
Prämisse 1: Realität und Spiel
Bestimmte Parameter, die beispielsweise in der Arbeitswelt auftauchen, wie Vorschrift und Befolgung, Pünktlichkeit, Teamfähigkeit, Aufmerksamkeit für Neue-rungen etc., finden sich ebenso im Fußball: Führungsspieler, Wasserträger, strategische Unterordnung, „Kameradschaft“, Trainer-Befehlsgewalt oder gar „Truppe“.Solche Ähnlichkeiten sind nicht bloße Analogien, sondern wirkliche Parallelen, parallele Organisationsstrukturen in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft. Wer sich in der Organisation einer Behörde, eines Industriebetriebs, einer Universität oder in den Pop-Kultur Diversitäten wirklich gut auskennt, oder aber wer sich im Universum Fußball wirklich gut auskennt – alle, die ihren Bereich durchlebt und durchdacht haben – kennen auch die anderen Organisationen, kennen damit die wirksamen Strukturen ihrer Gesellschaft. Sie können mit dem, was sie in ihren jeweiligen Bereichen gelernt haben, ohne weiteres in den anderen Bereichen arbeiten.Mit dem Wort „Modell“ arbeitet man in einer Spielwelt. Das Spiel kann so, oder auch anders, verlaufen. Zu einem Verständnis der Wechselfälle einer Gesellschaft gelangt man überhaupt nur über den Pol „Spiel“. Wenn Gesellschaften sich verändern, verschieben oder auch, wenn etwas im „Privaten“ sich entscheidend verändert, hat das immer etwas Experimentelles und, wenn es glücklich verläuft, Spielerisches an sich. Veränderndes Denken speist sich immer auch vom Spielerischen, ohne das es die Fähigkeit zur Utopie nicht gäbe.
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