Hört auf, so verdammt dämlich zu sein

istanbulunitedNicht Pyros, Steine und ein umgefallener Bullenwagen sind das Problem. Dass ihr nicht im Stande seid, vernünftige Gedanken zu formulieren, macht euch so verdammt unsympathisch. Offener Brief an alle Hools, Ultras und anderen Teilnehmer der HoGeSa-Proteste

Wir haben nichts gegen Hools und Ultras. Im Gegenteil, wir gehen selber ins Stadion und irgendeinen Hippiefimmel für immerwährende Gewaltlosigkeit haben wir auch nicht. Wir sind auch nicht dagegen, dass Fußballfans Politik machen. Im Gegenteil, wir glauben, das ist eine wichtige Sache. Im vergangen Jahr waren in Istanbul vier Millionen Menschen auf der Straße, haben die Bullen vom zentralen Platz in der Stadt vertrieben und den Staat massiv herausgefordert.

Aus dem Stadion auf die Straße - Besiktas-Fan in Istanbul, Juni 2013
Aus dem Stadion auf die Straße – Besiktas-Fan in Istanbul, Juni 2013

Jungs und Mädels aus allen Vereinen gingen gemeinsam auf die Straße, Besiktas, Glatasaray, Fenerbahce, mit einem Schal in allen Farben: Istanbul United. Gegen Korruption, teure Mieten, beschissene Arbeitsbedingungen, die Islamisierung der Gesellschaft und die Unterdrückung von Minderheiten wie Aleviten und Kurden. Vier Millionen Menschen, Straßenschlachten, die über Tage gingen, Tote durch Polizeigewalt – und trotzdem gab es viel Sympathie für die Leute, die da gekämpft haben.

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Egypt’s banning of ultras constitutes effort to outlaw legitimate opposition

Von James M. Dorsey

The Egyptian football authorities are expected to ban militant football fan groups in another move of labeling opposition forces as violent threats to their power.

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 The Egyptian authorities are expected to make a decision to ban ultras in another move to tackle opposition groups. AFP photo

An expected decision by Egyptian football authorities to ban groups of militant football fans as terrorists builds on Arab autocrats’ labeling of legitimate, democratic opposition forces as violent threats to their grip on power.

By leaving youth with ever fewer, if any, options for venting pent-up anger and frustration, it risks pushing them toward violent, militant Islamist groups.

In banning the ultras – groups of fervent, well-organized, street battle-hardened football fans – authorities would outlaw a social force that rivaled in appeal the Muslim Brotherhood that was criminalized last year as a terrorist organization with the military coup that toppled Mohamed Morsi, the country’s only democratically elected president.

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Ukraine – Krieger in coolen Turnschuhen

Von Daniel Ryser, Philipp Natzke (Text) und Kristina Cerniauskaite (Fotos)

Die verfeindeten ukrainischen Ultras und Hooligans von Dynamo Kiew, Arsenal Kiew und Schachtar Donezk haben einen Waffenstillstand vereinbart. Der neue gemeinsame Feind von rechtsextremen und antifaschistischen Gruppen heisst Russland. Ein Besuch in Kiew.

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Sergej und Alex, die uns in Kiew am Flughafen abholen, entschuldigen sich, dass der silbergraue Lexus mit den getönten Scheiben stinkt wie ein moderndes Secondhandlager: Hunderte Armeeoveralls hätten transportiert, schusssichere Westen ins Kriegsgebiet gebracht werden müssen.

Die beiden jungen Männer von Dynamo Kiews Hooligangruppe «Trudowi Rezerwy», zu deutsch «Arbeitskraftreserve», investieren ihre Freizeit, um die Truppen – die freiwilligen wie auch jene der heruntergekommenen ukrainischen Armee – mit Material zu versorgen: mit Kleidung, Kampfgerät, Nahrung. Die Armee, sagen sie, sei komplett heruntergewirtschaftet, zerfressen vom «ukrainischen Krebs», wie Alex sagt, der Korruption. Dieser Krebs, sagt er, sei auch der Grund, warum er als Anwalt, sein eigentlicher Beruf, viele Fälle ablehne: «Häufig bräuchte ich keine juristischen Kenntnisse, sondern nur ein Scheckbuch.»

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Soccer fan support for the Islamic State: Protest or a new generation of jihadists?

Von James M. Dorsey

At face value, a recent one minute video clip on You Tube leaves little doubt about support for the Islamic State, the jihadist group that controls a swath of Syria and Iraq, among supporters of storied Moroccan soccer club Raja Club Athletic.

The clip released by the Middle East Media Research Institute (MEMRI) shows fans of the Casablanca club that prides itself on its nationalist credentials dating back to opposition to colonial French rule and its reputation as the team of ordinary Moroccans chanting: “Daesh, Daesh,” the Arabic acronym for the Islamic State, and “God is Great, let’s go on jihad.”

The clip appeared to reaffirm the Islamic State’s widespread emotional appeal to youth across the Middle East and North Africa rather than a willingness to actually become a foreign fighter in Syria or Iraq notwithstanding last week’s arrest of nine people in Morocco as well as a Spanish enclave in the country on suspicion of links to the Islamic State and the fact that an estimated 1,500 Moroccan nationals are believed to have joined the group.

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[Istanbul Diaries VIII] “Mehr als ein Spiel” – Die Ultras von KızılAslan

Von Fridoline Nassauer

kizilaslan1Während des Juni-Aufstandes in der Türkei 2013 spielte die Präsenz von Fußball-Fangruppen eine große Rolle. Sie brachten der Bewegung eine ganz spezielle Dynamik und Bewegung und Fangruppen beeinflussten sich wechselseitig. Wir haben die Fangruppe „KızılAslan“ interviewt, um zu erfahren, warum sich diese Gruppe gegründet hat und um allgemein mehr über die linke Fanszene in der Türkei zu erfahren.

„Fußball ist auf dem Feld schön, nicht an der Börse“ – Metin Kurt

Ihr habt euch vor kurzem als neue Fangruppe von Galatasaray gegründet. Interessant dabei ist, dass eure Ziele dabei über die bloße Unterstützung eures Vereins hinausgehen. Was ist der Grundgedanke, der sich hinter eurer Gruppe verbirgt?

Zwischen 1960 und 1980 gab es in der Türkei noch eine sehr starke linke Bewegung. Diese Entwicklung wurde 1980 durch den Militärputsch abrupt gestoppt.(1) Linke Aktivist*innen und Revolutionär*innen wurden damals systematisch eingeschüchtert, verfolgt und ermordet. Die türkische Linke brauchte etwa zehn Jahre, um sich von diesem Rückschlag zu erholen, bis sie wieder auf die Beine kam und wieder handlungsfähig wurde. Seitdem ist wieder ein kontinuierliches Erstarken der linken Bewegung spür- und erkennbar, nicht zuletzt seit den Gezi-Protesten im Sommer 2013. Wir sehen diese gesellschaftliche Veränderung und wollen auch in der Kurve eine Basis für diese Bewegung schaffen, um irgendwann die Früchte dessen zu ernten.

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Repression gegen Besiktas-Fans. Erdogan nimmt Rache

Von Deniz Yücel

Die Staatsanwaltschaft fordert lebenslange Haft für die Wortführer der Besiktas-Ultravereinigung Çarsi. Das ist auch eine Form der Anerkennung.

Pro Fußball und Anti-Erdogan: Besiktas-Fans von der Gruppierung „Carsi“.  Bild: dpa

Lebenslänglich. Mit einer solchen Anklage hat Cem Yakiskan nicht gerechnet. „Wir dachten, sie würden uns vielleicht wegen Landfriedensbruch oder Widerstand gegen die Staatsgewalt anzeigen. Aber damit haben wir nicht gerechnet.“ Yakiskan ist 48 Jahre alt und einer der bekannten Wortführer der Ultravereinigung Çarsi.

Am Tag nach der Räumung des Gezi-Parks waren er und einige anderes Fans des Istanbuler Fußballklubs Besiktas zuhause festgenommen worden. Damals kamen sie nach ein paar Tagen frei. Doch nun fordert die Staatsanwaltschaft gegen 35 Mitglieder von Çarsi hohe Hafstrafen. Für Yakiskan und zwei weitere Wortführer lebenslänglich, inklusive der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Der Grund: Sie hätten die Regierung umstürzen wollen. Also ein versuchter Putsch.

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Istanbul. Aus Fußballfans werden Verfolgte

Von Markus Dichmann

Anhänger der Besiktas Istanbul-Fangruppe Carsi im Mai 2014 auf dem Taksim-Platz in Istanbul

Anhänger der Besiktas Istanbul-Fangruppe Carsi demonstrieren auf dem Taksim-Platz in Istanbul. (OZAN KOSE / AFP)

174.000 Menschen marschierten im Sommer 2013 auf den Taksim-Platz, als Carsi zu Protesten gegen die türkischen Regierung aufrief. Dafür soll die größte Fangruppe von Besiktas Istanbul nun büßen: Die Repressalien gegen Fans und Klub sind hart, 35 Mitgliedern von Carsi droht lebenslange Haft.

“Glauben Sie mir, keine NGO, keine Partei oder irgendeine andere Gruppe ist nach den Gezi-Park-Protesten mehr verfolgt worden als wir. Und das läuft immer noch. Unsere Telefone werden abgehört, uns wird aufgelauert, wir könnten sehr bald festgenommen werden, nur weil wir Ihnen dieses Interview geben.”

Der bullige, grauhaarige Mann, der das erzählt, ist einer der Köpfe von Carsi – der größten Fangruppe des Istanbuler Fußballklubs Besiktas. Er sitzt vor einem in der Szene nur allzu bekannten Cafe mitten im Stadtteil Besiktas.

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