Çarşı – Wir sind gegen Alles

Links zum Thema:
Fotos: Gezi-Park-Revolte, Istanbul, Juni 2013 → footballuprising
Update 02.01.2015 Die Hippie-Hools vom Gezi-Park → footballuprising

Von Ralf Heck (Interview und Fotos)

Das folgende Interview mit Cem von Çarşı wurde am 12. Juni 2013 in Istanbul während des Gezi-Park-Aufstandes geführt und in Blickfang Ultra 29 veröffentlicht.

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1. Die Gruppe

Hallo Cem. Stell’ Dich doch mal kurz vor.
Ich bin Beşiktaş-Fan und gehe seit 1989 jedes Wochenende ins Stadion. Ich war auch bei allen Auswärtsspielen, aber mittlerweile bin ich 40 Jahre alt und etwas ruhiger geworden. Ich bin immer in der Kerngruppe gewesen, gehöre nun aber schon zur zweiten Generation von Çarşı.

Wie fing das an mit Çarşı?
Çarşı wurde von etwa 30 bis 40 Leuten im Jahre 1982 gegründet. Sie kamen alle aus Beşiktaş. Einer davon war Optik Mehmet. Optik war sein Spitzname, sein richtiger Name lautet
Mehmet Işıklar. Er ist 2007 gestorben, was mich immer noch sehr traurig macht. Er war ein Linker und politisch sehr engagiert und er war Lehrer. Er ist ziemlich berühmt gewesen. Jeder in der Türkei, auch die Anhänger anderer Mannschaften, kannten ihn. Ja, so ist das Leben, aber Çarşı lebt noch weiter. Das ist eine Idee, die wir von ihm gelernt haben. Ziel der Gründung von Çarşı war es, das Team zu unterstützen und gegen andere Fans, vor allem gegen solche aus Vereinen wie Fenerbahçe und Galatasaray, vorzugehen.

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Hört auf, so verdammt dämlich zu sein

istanbulunitedNicht Pyros, Steine und ein umgefallener Bullenwagen sind das Problem. Dass ihr nicht im Stande seid, vernünftige Gedanken zu formulieren, macht euch so verdammt unsympathisch. Offener Brief an alle Hools, Ultras und anderen Teilnehmer der HoGeSa-Proteste

Wir haben nichts gegen Hools und Ultras. Im Gegenteil, wir gehen selber ins Stadion und irgendeinen Hippiefimmel für immerwährende Gewaltlosigkeit haben wir auch nicht. Wir sind auch nicht dagegen, dass Fußballfans Politik machen. Im Gegenteil, wir glauben, das ist eine wichtige Sache. Im vergangen Jahr waren in Istanbul vier Millionen Menschen auf der Straße, haben die Bullen vom zentralen Platz in der Stadt vertrieben und den Staat massiv herausgefordert.

Aus dem Stadion auf die Straße - Besiktas-Fan in Istanbul, Juni 2013
Aus dem Stadion auf die Straße – Besiktas-Fan in Istanbul, Juni 2013

Jungs und Mädels aus allen Vereinen gingen gemeinsam auf die Straße, Besiktas, Glatasaray, Fenerbahce, mit einem Schal in allen Farben: Istanbul United. Gegen Korruption, teure Mieten, beschissene Arbeitsbedingungen, die Islamisierung der Gesellschaft und die Unterdrückung von Minderheiten wie Aleviten und Kurden. Vier Millionen Menschen, Straßenschlachten, die über Tage gingen, Tote durch Polizeigewalt – und trotzdem gab es viel Sympathie für die Leute, die da gekämpft haben.

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Ukraine – Krieger in coolen Turnschuhen

Von Daniel Ryser, Philipp Natzke (Text) und Kristina Cerniauskaite (Fotos)

Die verfeindeten ukrainischen Ultras und Hooligans von Dynamo Kiew, Arsenal Kiew und Schachtar Donezk haben einen Waffenstillstand vereinbart. Der neue gemeinsame Feind von rechtsextremen und antifaschistischen Gruppen heisst Russland. Ein Besuch in Kiew.

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Sergej und Alex, die uns in Kiew am Flughafen abholen, entschuldigen sich, dass der silbergraue Lexus mit den getönten Scheiben stinkt wie ein moderndes Secondhandlager: Hunderte Armeeoveralls hätten transportiert, schusssichere Westen ins Kriegsgebiet gebracht werden müssen.

Die beiden jungen Männer von Dynamo Kiews Hooligangruppe «Trudowi Rezerwy», zu deutsch «Arbeitskraftreserve», investieren ihre Freizeit, um die Truppen – die freiwilligen wie auch jene der heruntergekommenen ukrainischen Armee – mit Material zu versorgen: mit Kleidung, Kampfgerät, Nahrung. Die Armee, sagen sie, sei komplett heruntergewirtschaftet, zerfressen vom «ukrainischen Krebs», wie Alex sagt, der Korruption. Dieser Krebs, sagt er, sei auch der Grund, warum er als Anwalt, sein eigentlicher Beruf, viele Fälle ablehne: «Häufig bräuchte ich keine juristischen Kenntnisse, sondern nur ein Scheckbuch.»

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[Istanbul Diaries VIII] “Mehr als ein Spiel” – Die Ultras von KızılAslan

Von Fridoline Nassauer

kizilaslan1Während des Juni-Aufstandes in der Türkei 2013 spielte die Präsenz von Fußball-Fangruppen eine große Rolle. Sie brachten der Bewegung eine ganz spezielle Dynamik und Bewegung und Fangruppen beeinflussten sich wechselseitig. Wir haben die Fangruppe „KızılAslan“ interviewt, um zu erfahren, warum sich diese Gruppe gegründet hat und um allgemein mehr über die linke Fanszene in der Türkei zu erfahren.

„Fußball ist auf dem Feld schön, nicht an der Börse“ – Metin Kurt

Ihr habt euch vor kurzem als neue Fangruppe von Galatasaray gegründet. Interessant dabei ist, dass eure Ziele dabei über die bloße Unterstützung eures Vereins hinausgehen. Was ist der Grundgedanke, der sich hinter eurer Gruppe verbirgt?

Zwischen 1960 und 1980 gab es in der Türkei noch eine sehr starke linke Bewegung. Diese Entwicklung wurde 1980 durch den Militärputsch abrupt gestoppt.(1) Linke Aktivist*innen und Revolutionär*innen wurden damals systematisch eingeschüchtert, verfolgt und ermordet. Die türkische Linke brauchte etwa zehn Jahre, um sich von diesem Rückschlag zu erholen, bis sie wieder auf die Beine kam und wieder handlungsfähig wurde. Seitdem ist wieder ein kontinuierliches Erstarken der linken Bewegung spür- und erkennbar, nicht zuletzt seit den Gezi-Protesten im Sommer 2013. Wir sehen diese gesellschaftliche Veränderung und wollen auch in der Kurve eine Basis für diese Bewegung schaffen, um irgendwann die Früchte dessen zu ernten.

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