Rechte Schläger im Frankreichblock. Im Gastgeberland der Europameisterschaft gibt es kaum Fanarbeit

Von Ronny Blaschke

Alle reden über russische und englische Hooligans, doch auch in Frankreich sind rechte Schläger aktiv. Eine Differenzierung gab es hier bislang nicht, weshalb auch die Polizei schlecht organisiert wirkte.

SportimaDie Szenen aus Marseille vor zwei Wochen wirken nach: Hooligans gehen aufeinander los, mit Eisenstangen und Plastikstühlen. Russen gegen Engländer. Doch in das Chaos mischen sich auch Schläger des örtlichen Vereins Olympique Marseille. Sie haben es auf Engländer abgesehen, wollen sich rächen für 1998. Damals, bei der WM in Frankreich, hatten sich englische Hooligans Straßenkämpfe mit Fans von Olympique geliefert. »Die Polizei hat dieses Mal nicht angemessen reagiert«, sagt Martin Endemann vom internationalen Netzwerk »Football Supporters Europe«. »Sie hat willkürlich Tränengas eingesetzt. Nach einem Jahr Vorbereitung darf so etwas nicht passieren.«

In den Anfangstagen der Europameisterschaft ist deutlich geworden, wie wenig Polizei und Behörden in Frankreich differenzieren, wenn es um Fan-Angelegenheiten geht. Deutlich wird das auch durch einen Blick in den Ligabetrieb: In der Saison 2011/2012 gab es im französischen Profifußball für Fangruppen fast 40 Reiseverbote zu Auswärtsspielen – in der abgelaufenen Spielzeit waren es mehr als 200. Als Grund nennt das Innenministerium die Terrorgefahr, dafür müssen schließlich mehr Polizeikräfte vom Fußball abgezogen werden.

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Interview zu EM-Krawallen „Hooligans sind viel professioneller geworden“

Von Niels Altenmüller

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  • Die Euro 2016 ist bislang geprägt von Ausschreitungen zwischen Fan-Gruppierungen.
  • Gewalt-Höhepunkt war die Auseinandersetzung zwischen russischen und englischen Hooligans im Stadion und auf den Straßen von Marseille.
  • Fan-Forscher Robert Claus erkennt eine Entwicklung der Hooligan-Szene hin zur Professionalität.

Im Interview spricht Robert Claus, Fanforscher und Experte für Hooliganismus, unter anderem über die Vorfälle zwischen englischen und russischen Hooligans in Marseille, professionalisierte Hooligans und mögliche Ansätze zur Präventivarbeit. Seit 2013 arbeitet er in der Kompetenzgruppe „Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit“ (KoFaS gGmbH).

Herr Claus, die schweren Krawalle in Marseille liegen jetzt mehr als eine Woche zurück. Seitdem ist es scheinbar ruhiger geworden. Täuscht der Eindruck?

Für ein abschließendes Fazit ist es noch zu früh. Es stehen ja noch ein paar Hochrisikospiele an, man kennt die Paarungen in der KO-Phase noch nicht. Die Chance ist aber hoch, dass wir solche Ausschreitungen wie in Marseille in der Massivität nicht mehr sehen. Einzelne gewalttätige Angriffe zwischen Fangruppen würde ich aber weiterhin nicht ausschließen. Während der gesamten EM gibt es ja konstant „Matches“ zwischen diversen Hooligan-Gruppen. Die laufen dann aber sozusagen geregelt ab: Zum Beispiel 15 gegen 15 an einem Ort. Das hat aber mit diesen barbarischen Szenen in Marseille nichts zu tun.

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Ultras bekennen sich zu Krawallen: Warum sie den Abbruch wollten

Von Martin Herms

Saint-Étienne. Die Fußball-Europameisterschaft in Frankreich ist um einen weiteren Eklat reicher. Nachdem vor einigen Tagen russische, englische und deutsche Hooligans randaliert hatten, waren es nun kroatische Fußball-Anhänger, die im zweiten Gruppenspiel gegen Tschechien (2:2) für einen Skandal sorgten.

Der Skandal wird zur Staatsaffäre, die Angst vor dem Ausschluss wächst: Nachdem die eigenen Fans der kroatischen Nationalmannschaft auf dem Weg zum EM-Mitfavoriten brutal in den Rücken gefallen sind, ist das ganze Land in Aufruhr. Sogar das Staatsoberhaupt ächtete die Krawallmacher von Saint-Étienne. “Das sind Staatsfeinde, die ihre Mannschaft und ihr Land hassen”, sagte Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic: “Schämt euch!”

Inzwischen hat sich die berüchtigte Hooligan-Gruppierung “Bad Blue Boys” von Dinamo Zagreb zu den Krawallen im kroatischen Block bekannt. Via Facebook gab es folgende Erklärung: ” (…) So lange es Hooligans in den Logen gibt, wird es auch Hooligans auf den Tribünen geben. Ihr kritisiert nun die Boys, Torcida, Armada und andere Fans, aber das sind die einzigen, die für Gerechtigkeit im kroatischen Fußball kämpfen, damit alles fair und gerecht wird. (…)”

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Wie sich die Uefa ihre EM zurechtzensiert

Von Die Welt

Prügeleien, Ausschreitungen, Randale: Am Ende des Spiels England gegen Russland ging es im Stadion heiß her. Zu sehen bekam der Fernsehzuschauer davon nichts. Wie die Uefa die Sender drangsaliert.

Kaum war das EM-Vorrundenspiel zwischen England und Russland abgepfiffen, eskalierte die Lage auf einer Seite des Stade Vélodrome in Marseille. Russische Rowdys attackierten englische Fans im benachbarten Block, eine Massenschlägerei brach aus.

Im Fernsehen war davon nichts zu sehen. Einzig der plötzlich leere Tribünenabschnitt fiel manchem TV-Zuschauer auf. Ansonsten waren nur jubelnde Russen und konsternierte Engländer wie Gary Cahill zu sehen, der am Boden liegend nicht fassen konnte, dass England noch das späte 1:1 kassiert hatte.

Die internationale Regie des europäischen Verbandes Uefa wollte der Weltöffentlichkeit von den Ausschreitungen nichts zeigen, das ZDF hatte auf die Bilder keinen Einfluss. Zugleich berichtete Kommentator Oliver Schmidt aber detailliert, was er von der Pressetribüne aus beobachtete: fliegende Fäuste, fliehende Zuschauer, überforderte Ordner.

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Frankreichs umkämpfte Arbeitsrechts-„Reform“, Teil 34

Von Bernard Schmid (LabourNet Germany)

Aus der Zeitung der französischen Eisenbahner (SCNF) einen Tag vor der EM-Eröffnung: "Man muss wissen, wie man ein Fußballspiel stoppen kann"

Das französische Innenministerium will Fußballbegeisterten im Namen der Sicherheit untersagen, über Politik zu reden – und rudert dann doch zurück * Demo gegen Eröffnung der Fußball-EM * Die CGT erklärt, die Fußballfans nicht stören zu wollen, verweist die Bahndirektion jedoch auf ihre eigene Verantwortung * Treffen des linksradikalen Flügels der Protestbewegung an der Hochschule Nanterre am Wochenende, Meeting in einem Pariser Theater am Sonntag * Raffineriestreik geht an mehreren Orten zu Ende, doch Bahnstreik dauert fort * Die bürgerliche Sonntagszeitung ,JDD’ ruft, wohl voreilig, „die letzte Runde“ aus – und der rechtslastige Chef des Dachverbands CFDT lässt dort seinem Hass freien Lauf * Dummdeutsche Presse, halt die Fresse

Ein kleiner Nachtrag zu unserem Teil 33: Wir erwähnten dort die Verurteilung des 28jährigen CGT-Aktivisten Antoine in Lille zu acht Monaten Haft auf Bewährung. Er hatte sich in den Augen von Polizei und Vorsitzender Richterin „schuldig“ gemacht, weil er sich zur Wehr setzte, als sich drei Männer ohne Uniform und ohne Armbinde mit der Aufschrift „Polizei“ (Letztere ist bei Eingriffen theoretisch vorgeschrieben) auf ihn stürzten. Er hatte sich gegen einen von ihnen gewehrt und trug sich dadurch den Vorwurf „Gewalt gegen Beamte“ ein. Nachzutragen hätten wir dazu noch, dass der junge Kollege nicht „nur“ zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, sondern zusätzlich auch zu einem zweijährigen Demonstrationsverbot im französischen Département Nord (dem Verwaltungsbezirk rund um Lille).

Puh, gerade noch einmal davongekommen! Es ist also in Frankreich doch noch erlaubt, von der Redefreiheit Gebrauch zu machen. Sogar wenn man das geplante „Arbeitsgesetz“ ablehnt und selbst in Zeiten von Fußballspielen, die gefälligst die Nation in Atem zu halten haben.

Eine Zeit lang hatte es am Donnerstag und Freitag (09. und 10. Juni) anders ausgehen: In „Verhaltensregeln“ für die Fans, die eine sichere Austragung der Spiele der Europameisterschaft (EM) gewährleisten sollten, forderte das französische Innenministerium diese dazu auf, „keine politischen, ideologischen, beleidigenden oder rassistischen Äußerungen“ zu tätigen. Alle vier Kategorien, die doch unterschiedlich zu bewerten sein sollten, wurden dabei munter in einen Topf geworfen. Auch sollten sie sich lieber „von Menschenansammlungen fernhalten“.

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Hooligans: “Isis – Where are you?”

Polnische Hooligans beim EM-Qualifikationsspiel gegen England.

Von Fabian Scheler

Tausende Hooligans werden zur Fußball-EM erwartet. Neben Bier und Bizeps ist ihnen jetzt auch der Islam wichtig. Als Feind.

Es sind Bilder aus der Ukraine, aus Polen und aus Belgien. Muskelbepackte Männer posieren mit einem T-Shirt oder halten eine Fahne. Ihre Botschaft ist immer die gleiche: “Turkey not welcome”. Hooligans gegen die Türkei. Die französische Kampfsportmarke Pride France veröffentlicht diese Aufnahmen regelmäßig auf ihrer Facebook-Seite. Ihr Gründer zeigt gerne seinen mit einem Hakenkreuz tätowierten Rücken in sozialen Netzwerken. Bislang war das Label nur unter Kämpfern beliebt. Nun aber steigen sie aus dem Ring in die Gesellschaft: Vor der EM heizen Hooligans die politische Stimmung auf.

Wie bei jedem großen Fußballturnier werden auch zur EM Hooligans anreisen. Breitschultrige Schläger, die auf Kämpfe mit anderen Stiernacken oder der Polizei hoffen. Früher tranken sie sich mit viel Bier Mut an, suchten andere Schläger, die genauso viel soffen, aber eine andere Fahne trugen, und begannen, aufeinander einzudreschen. Doch in Frankreich wird wohl ein bisher unbekannter Charakterzug hervortreten: Die Hooligans haben angefangen, nachzudenken. Oder zumindest denken sie das.

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Appel à perturber l’Euro 2016 (Call to disrupt the Euro 2016)

Von blocages

The Euro 2016 takes place in France between June 10 and July 10. Given the social situation in the country, we who are struggling against the new Labour Law and its world, call for the event’s disruption.
Yet we also love football. But we consider football as a game, not as a business, not as a commodity. And given the money and political propaganda around such major sports events, we have no qualms to imagine that Euro 2016 could be somewhat disturbed.

By making the means of wage exploitation ever greater, the Labour Law and its world play with our lives. The challenge therefore seems more important than fifty football matches.

However, we have nothing against footballers, nor against the fans.

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Et maintenant, une loi pour criminaliser les supporters

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Von Jérôme Latta

Depuis des années, les supporters de football sont les cobayes du fichage et des privations de liberté. Dans un contexte d’état d’urgence, susceptible d’être constitutionnalisé et prolongé indéfiniment, ils restent en première ligne.

Cette saison, le nombre des interdictions de déplacements a explosé : 180 à la mi-saison – il y en avait eu trois en 2011/12. Si le motif de l’état d’urgence et de la mobilisation des forces de l’ordre sur d’autres missions en explique la plus grande partie, le nombre des autres a déjà dépassé celui de la saison dernière. Le symptôme d’une politique délibérée, et d’un arbitraire dont les préfets sont les maîtres d’œuvre – peu importe que leurs arrêtés soient tissés d’arguments fantaisistes ou erronés [1].

LÉGALISER ET PRIVATISER LA DISCRIMINATION

La méthode n’est pas seulement le signe d’un abandon de responsabilités et de l’adoption d’une solution de facilité (lire “Les supporteurs victimes de l’état d’urgence”). Elle illustre aussi cet état d’exception dans lequel on court-circuite l’autorité judiciaire pour élargir les pouvoirs de police, en privant une catégorie de citoyens de droits élémentaires. Et elle sert le vieux projet de diabolisation et de criminalisation d’un supportérisme qui embarrasse les dirigeants du football.

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