Besprechung: “Zwischen Eigentor und Aufstand. Ultras in den gegenwärtigen Revolten” (Ralf Heck)

Der besprochene Artikel steht hier online und auch als pdf zum kostenlosen Download bereit.

Von Alex Schnarr (120 minuten)

Wer Begriffe wie “Gezi-Park” oder “Tahrir-Platz” hört, wird, sofern er oder sie in den letzten Jahren nicht völlig abgeschottet gelebt hat, vermutlich sofort an Konflikte, Ausschreitungen und das Aufbegehren von Menschen gegen die herrschenden Strukturen denken. Was einem tatsächlich aber auch in den Sinn kommen könnte, sind aktive Fußballfans, die bei Protesten wie denen in Istanbul oder Kairo mitunter eine wichtige Rolle gespielt haben. Genau diesen Aspekt beleuchtet Ralf Heck in seinem 2015 in der Zeitschrift “Kosmoprolet” erschienenen, 45seitigen Beitrag und schreibt einleitend:

“Der folgende Text versucht zu erklären, wie dieser oft im besten Fall als völlig unpolitisch oder kommerzabhängig bewertete Akteur [gemeint sind Ultras, AS] entstehen konnte und wie sein Wirken in den Klassenkämpfen einzuschätzen ist. Denn wenn es stimmt, dass wir uns gegenwärtig an der Schwelle zu einer neuen Epoche befinden, dann spricht einiges dafür, dass Teile dieses Milieus in den kommenden Revolten eine Rolle spielen werden.” (S. 159)

Die Wortwahl mag eigen erscheinen, erschließt sich aber über die Zeitschrift, in der der Beitrag veröffentlicht wurde und die am deutlich linken Ende des Medienspektrums einzuordnen ist. Lässt man die so notwendigerweise vorhandene politische Färbung beim Lesen des Textes außen vor, geht es aber vor allem um einen Überblick über die Wurzeln und die Entwicklung der Ultra-Bewegung und eben die Frage, in welcher Weise und Funktion organisierte Fußballfans bei verschiedenen gesellschaftspolitischen Protesten sichtbar wurden.

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Rezension von UdH: Lesenswert: Zwischen Eigentor und Aufstand: Ultras in den gegenwärtigen Revolten

Von · in

Hiermit möchten wir euch auf einen interessanten Text von Ralf Heck, Mitbegründer des Blogs “footballuprising”,aufmerksam machen, der bereits vor einigen Wochen erstveröffentlicht im “Kosmoprolet Nr. 4Foto” erschien und nun auch auf dem oben genannten Blog veröffentlicht wurde.

Inhaltlich handelt der Beitrag über das Spannungsverhältnis der Ultras zwischen Progression und Regression. Ausgehend von einer beschreibenden Analyse der Entstehung der Ultràbewegung in Italien, sowie über den proletarischen Fußball in England, wirft der Autor einen kritischen Blick auf die Beteiligung von Ultras in vergangenen Revolten. Gerade die Beteiligung von Ultras an den Gezipark-Protesten in Istanbul oder am Sturz der Regierung in Agypten, offenbaren, dass Ultras vor allem auch gesellschaftliche Subjekte bzw. Akteure sind. Dieses Bewusstsein haben jedoch längst nicht alle Ultras. Was – wie der Text auch suggeriert – nicht zuletzt an dem jeweiligen subjektiven Interesse der jeweiligen Ultagruppen liegt, denen zwar fast allen ein objektives Interesse an gesellschaftlichen Kämpfen und Veränderungen zu attestieren wäre, aber dieses im Rahmen einer kurzlebigen jugendkulturellen Phase auf der Strecke bleibt. Nicht zuletzt ist dieses fehlende Bewusstsein über die eigene gesellschaftliche Position und politische Dimension eigenen Handelns auch am kulturindustriellen Charakter des Fußballs festzumachen, der nach Adorno, ein “notwendig falsches Bewusstsein” vermittelt bzw. ideologisiert. Brot und Spiele hat halt einfach auch immer schon funktioniert und ist daher nicht zuletzt ein begehrtes Mittel der herrschenden Klasse, das Proletariat ruhig zu stellen und im Glauben zu lassen, das Leben bestünde aus (Lohn-)Arbeit und zu konsumierenden (Kultur-) Gütern.

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Zwischen Eigentor und Aufstand: Ultras in den gegenwärtigen Revolten (von Ralf Heck)

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Der folgende Text wurde im August 2015 in der Zeitschrift Kosmoprolet #4 publiziert und kann für 5€ hier bestellt werden


Der Artikel als pdf

Von Ralf Heck

Das ist das alte Laster der Intellektuellen, dass für sie das soziale Subjekt schön, gut und wohlerzogen sein muss.
Nanni Balestrini

Oft während der absurden Kriege, die in der Kurve ausbrachen, sah ich mich plötzlich einem anderen »Asozialen« gegenüber, dieselben Haare, dieselbe Wut, aber er spricht keinen Römer Dialekt, hat einen anderen Schal mit anderen Farben. Wer weiß, vielleicht vereinen wir uns eines Tages, anstatt mit Stangen aufeinander loszugehen.
Geppo, Anführer der AS Roma Ultras, 1982

Seit der Revolution habe ich den Fußballhooliganismus für eine größere Sache vernachlässigt: die Revolution. Da kann ich für mich selbst und jeden Ultra sprechen.
Mahmoud, Ultras White Knights, 2012

Im letzten Zyklus der Kämpfe betrat eine neue Kraft die Bühne: Organisierte Fußballfans haben sich an vielen Unruhen rund um den Globus beteiligt – vom Aufstand in Griechenland 2008, der Bewegung in Portugal, Occupy in Spanien und Israel 2011/12 über die Istanbuler Gezi-Park-Revolte im Sommer 2013 bis zu den Ausschreitungen in Bosnien-Herzegowina 2014. Und selbst größten Fußballhassern dürfte nicht verborgen geblieben sein, dass nordafrikanische Ultragruppen einen erheblichen Anteil am sogenannten arabischen Frühling hatten. Ein Beobachter geht so weit zu behaupten, die Ultras hätten »eine Schlüsselrolle bei der Überwindung der ›Barrikade der Angst‹ gespielt. (…) Ihre Anziehungskraft auf desillusionierte Jugendliche ist enorm. Wir sprechen von der zweit- oder drittgrößten Bürgerbewegung Ägyptens mit zehntausenden Mitgliedern«.1 Der folgende Text versucht zu erklären, wie dieser oft im besten Fall als völlig unpolitisch oder kommerzabhängig bewertete Akteur entstehen konnte und wie sein Wirken in den Klassenkämpfen einzuschätzen ist. Denn wenn es stimmt, dass wir uns gegenwärtig an der Schwelle zu einer neuen Epoche befinden, dann spricht einiges dafür, dass Teile dieses Milieus auch in den kommenden Revolten eine Rolle spielen werden. Nichts liegt uns allerdings ferner, als der Ultra-Bewegung eine zentrale Rolle zuzuschreiben – sei es in den derzeitigen oder den kommenden Aufständen. Die Fokussierung auf einen angeblich besonders revolutionären Typus, je nach politischer Couleur Massenarbeiter, Jobber, Frau oder Migrant, war schon immer ebenso fragwürdig wie das Beharren auf einem im Voraus festgelegten Ort für die Revolte. Alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens, in denen Lohnabhängige zusammenkommen, können sich zu Kampfzonen entwickeln, egal ob es sich dabei um Stadtteile, Suppenküchen, Fabriken oder eben Fußballstadien handelt.2

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Interview zu EM-Krawallen „Hooligans sind viel professioneller geworden“

Von Niels Altenmüller

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  • Die Euro 2016 ist bislang geprägt von Ausschreitungen zwischen Fan-Gruppierungen.
  • Gewalt-Höhepunkt war die Auseinandersetzung zwischen russischen und englischen Hooligans im Stadion und auf den Straßen von Marseille.
  • Fan-Forscher Robert Claus erkennt eine Entwicklung der Hooligan-Szene hin zur Professionalität.

Im Interview spricht Robert Claus, Fanforscher und Experte für Hooliganismus, unter anderem über die Vorfälle zwischen englischen und russischen Hooligans in Marseille, professionalisierte Hooligans und mögliche Ansätze zur Präventivarbeit. Seit 2013 arbeitet er in der Kompetenzgruppe „Fankulturen und Sport bezogene Soziale Arbeit“ (KoFaS gGmbH).

Herr Claus, die schweren Krawalle in Marseille liegen jetzt mehr als eine Woche zurück. Seitdem ist es scheinbar ruhiger geworden. Täuscht der Eindruck?

Für ein abschließendes Fazit ist es noch zu früh. Es stehen ja noch ein paar Hochrisikospiele an, man kennt die Paarungen in der KO-Phase noch nicht. Die Chance ist aber hoch, dass wir solche Ausschreitungen wie in Marseille in der Massivität nicht mehr sehen. Einzelne gewalttätige Angriffe zwischen Fangruppen würde ich aber weiterhin nicht ausschließen. Während der gesamten EM gibt es ja konstant „Matches“ zwischen diversen Hooligan-Gruppen. Die laufen dann aber sozusagen geregelt ab: Zum Beispiel 15 gegen 15 an einem Ort. Das hat aber mit diesen barbarischen Szenen in Marseille nichts zu tun.

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Hooligans: “Isis – Where are you?”

Polnische Hooligans beim EM-Qualifikationsspiel gegen England.

Von Fabian Scheler

Tausende Hooligans werden zur Fußball-EM erwartet. Neben Bier und Bizeps ist ihnen jetzt auch der Islam wichtig. Als Feind.

Es sind Bilder aus der Ukraine, aus Polen und aus Belgien. Muskelbepackte Männer posieren mit einem T-Shirt oder halten eine Fahne. Ihre Botschaft ist immer die gleiche: “Turkey not welcome”. Hooligans gegen die Türkei. Die französische Kampfsportmarke Pride France veröffentlicht diese Aufnahmen regelmäßig auf ihrer Facebook-Seite. Ihr Gründer zeigt gerne seinen mit einem Hakenkreuz tätowierten Rücken in sozialen Netzwerken. Bislang war das Label nur unter Kämpfern beliebt. Nun aber steigen sie aus dem Ring in die Gesellschaft: Vor der EM heizen Hooligans die politische Stimmung auf.

Wie bei jedem großen Fußballturnier werden auch zur EM Hooligans anreisen. Breitschultrige Schläger, die auf Kämpfe mit anderen Stiernacken oder der Polizei hoffen. Früher tranken sie sich mit viel Bier Mut an, suchten andere Schläger, die genauso viel soffen, aber eine andere Fahne trugen, und begannen, aufeinander einzudreschen. Doch in Frankreich wird wohl ein bisher unbekannter Charakterzug hervortreten: Die Hooligans haben angefangen, nachzudenken. Oder zumindest denken sie das.

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Hillsborough – BBC Two

https://youtu.be/qBbifoVdyGM

Hillsborough is an in-depth, moving account of Britain’s worst sporting disaster, in which 96 men, women and children were killed, hundreds injured and thousands traumatised.

Beginning with that fateful day, 15 April 1989, the film details the horror of the tragedy, told through the experiences of those directly involved: fans, survivors, family members and police officers. Many speak publicly for the first time.

It captures the horror of the crush on the terraces, revealing the prejudices held by the police towards football fans. It exposes the police commanders’ abject failure in leadership as the tragedy unfolded, and their deceit and determination to deflect responsibility for their failures in crowd management onto those who survived.

The documentary exposes the lack of dignity shown to bereaved families as they arrived in Sheffield to identify their loved ones laid out in body bags on a gymnasium floor. It considers the impact of the orchestrated vilification of fans in the media and, as a consequence, their public condemnation. By interviewing those involved, it recounts the 27-year campaign for justice fought on behalf of the 96 who died.

Quelle: BBC, 08. Mai 2016

Wir Wohlstandsultras

 

Von Ricordate

GELESEN

Wir Wohlstandsultras

Anmerkungen zu Ralf Hecks „Zwischen Eigentor und Aufstand. Ultras in den gegenwärtigen Revolten“

Einleitung

– zu Beginn 3 Zitate die bereits zum Nachdenken anregen: Nanni Balestrini, bei uns bekannt durch die Ultrà-Pflichtlektüre I furiosi, benennt das alte Laster der Intellektuellen, für die das soziale Subjekt schön, gut und wohlerzogen sein muss. Hm. Ist das noch so? Als Entgegnung fällt mir zwar der Intellektuelle Pasolini und seine Solidarisierung mit dem italienischen Proletariat ein (wozu für ihn auch Polizisten gehörten), aber eben auch zig mehr oder weniger Intellektuelle, die tatsächlich immer etwas von oben herab über – Betonung auf „über“ – diejenigen reden, zu denen sie forschen oder die statt ihrer die Revolution machen sollen.
Im 2. Zitat äußert sich 1982 der damalige Anführer der Roma Ultras über die Ähnlichkeit miteinander verfeindeter Ultras und die potentielle Möglichkeit, eines Tages miteinander vereint zu kämpfen. Tja. Würden wir das beherzigen, hätten Fußballverbände und Politik nicht soviel Macht über uns.
Das 3. Zitat stammt von einem der Ultras White Knights, der 2012 erklärte, dass er den Fußballhooliganismus für eine größere Sache, nämlich die Revolution vernachlässigt habe und damit nicht der Einzige sei. Bei so etwas frage ich mich immer, wie wir in einer ähnlichen Situation handeln würden. Aber wir würden nicht handeln. Wir würden wie immer vor lauter Diskutiererei und Grabenkämpfen zu nix kommen.

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Football Fans Have Something to Say

Von James M. Dorsey

Fans in the Middle East, Europe and Asia highlight the importance that sections of the football family attribute to social justice.

Soccer fans are on a roll in the Middle East, Europe and Southeast Asia. Fans in Turkey and Egypt have defeated legal efforts to criminalize them as terrorists, while Malaysian ultras are tackling corruption and mismanagement of their country’s soccer association. In Germany, the pitch anticipated the government’s shift in policy toward the wave of refugees sweeping Europe, with fans expressing support a week before the country opened the floodgates.

Although these incidents were unrelated and occurred in widely different political and social environments, they share a number of things in common: They all focused on aspects of social justice, repression, corruption and compassion toward the needy.

The incidents further highlighted the soccer pitch’s significance as an early indicator of societal distrust in government and institutions. That distrust was similarly expressed in the recent electoral victory of controversial leftist Jeremy Corbyn as leader of the British Labour Party. Corbyn’s success constituted a rejection of corporate politics.

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Statement der Clapton-Ultras nach Fascho-Angriff

STATEMENT

Last night our club Clapton FC were playing our last pre season friendly away against Thamesmead in South East London. In the last few days, we received threatening messages from a fascist group regarding this fixture. This information was passed on to the football club and its fans who decided to travel as one group to the game as fan safety is the number one priority.

As we arrived at the game around 15 minutes after kick off and began to enter, Clapton fans were immediately attacked with weapons and missiles by a large group already present inside the ground, who threw glasses, bottles, bricks, signs and a fire extinguisher at Clapton fans, the vast majority of which had not been able to even enter the ground. In addition to causing minor injury the missiles damaged several parked cars in the car park outside the ground. Thankfully no one was seriously injured.

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Veranstaltung: 8. Juli – It’s getting tickly now. Fankultur im Vereinigten Königreich.

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Podiumsdiskussion am 08. Juli in Berlin-Kreuzberg. Die Veranstaltung beginnt um 19.30 Uhr in der Schankwirtschaft „Clash“. Vorher und nachher mit Musike von der Insel, dazu kalte Getränke und nette Leute. Vielleicht auch Porridge? Nein.

Die Veranstaltung wird organisiert von Gesellschaftsspiele.

1000. Diese Zahl beschreibt den Status Quo der englischen Fankultur treffender als jeder Spielbericht. 1000 ZuschauerInnen aus dem Vereinigten Königreich sind es angeblich, die zu jedem Heimspiel von Borussia Dortmund anreisen. 1000 Fußballfans, die für 90 Minuten Bundesliga viel in Zeit und Geld investieren anstatt im Mutterland des Fußballs ins Stadion zu gehen – warum?

Woher kommt diese enorme Anziehungskraft? Was fehlt den englischen Fußballfans, das sie in Deutschland suchen? Immerhin gilt die Premier League noch immer als die beste, stärkste, spannendste Fußballliga der Welt. Allerdings explodieren die Ticketpreise, Clubs werden von internationalen Investoren geführt, Stehplätze sucht man vergebens. Sind die 1000 also das Warnsignal einer untergehenden Fankultur? Oder vielleicht nur ein Randphänomen der Generation Easy Jet?

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