Hooligans: “Isis – Where are you?”

Polnische Hooligans beim EM-Qualifikationsspiel gegen England.

Von Fabian Scheler

Tausende Hooligans werden zur Fußball-EM erwartet. Neben Bier und Bizeps ist ihnen jetzt auch der Islam wichtig. Als Feind.

Es sind Bilder aus der Ukraine, aus Polen und aus Belgien. Muskelbepackte Männer posieren mit einem T-Shirt oder halten eine Fahne. Ihre Botschaft ist immer die gleiche: “Turkey not welcome”. Hooligans gegen die Türkei. Die französische Kampfsportmarke Pride France veröffentlicht diese Aufnahmen regelmäßig auf ihrer Facebook-Seite. Ihr Gründer zeigt gerne seinen mit einem Hakenkreuz tätowierten Rücken in sozialen Netzwerken. Bislang war das Label nur unter Kämpfern beliebt. Nun aber steigen sie aus dem Ring in die Gesellschaft: Vor der EM heizen Hooligans die politische Stimmung auf.

Wie bei jedem großen Fußballturnier werden auch zur EM Hooligans anreisen. Breitschultrige Schläger, die auf Kämpfe mit anderen Stiernacken oder der Polizei hoffen. Früher tranken sie sich mit viel Bier Mut an, suchten andere Schläger, die genauso viel soffen, aber eine andere Fahne trugen, und begannen, aufeinander einzudreschen. Doch in Frankreich wird wohl ein bisher unbekannter Charakterzug hervortreten: Die Hooligans haben angefangen, nachzudenken. Oder zumindest denken sie das.

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Rechtsruck in den polnischen Fankurven

Von Ronny Blaschke

2012 fand die EM in Polen und in der Ukraine statt. Die Gastgeber legten zahlreiche Programme gegen Rechtsextremismus in den Fankurven auf. Vier Jahre später hat sich die politische Lage in Polen stark verändert. Mit Folgen für die polnische Fanarbeit.

Quelle: 11. Juni 2016, DLF

Zwischen Rebellion und Affirmation, oder: Ultras sind politisch und auch wieder nicht

derpassVon Stefan Erhardt (Der Tödliche Pass Heft 79)

Ein Gespräch mit Ralf Heck, dem Betreiber des Blogs „footballuprising“

Seit knapp zwei Jahren gibt es den Blog „footballuprising“ – darin finden sich äußerst lesenswerte Analysen und Reflexionen vor allem zur politischen Wirkweise von Fußballfans, speziell von Ultra-Gruppierungen, die nicht nur in Europa, sondern auch darüber hinaus agieren.

Allerdings geht es nicht um Glorifizierung oder Rechtfertigung, sondern um differenzierte Meinungen und Berichte, etwas, das im Zusammenhang mit Ultras nicht immer zu finden ist, im Gegenteil: Allzu schnell hat sich in den Mainstream-Medien das Bild von den sich selbst feiernden, eine gewisse rebellische Attitüde zelebrierenden, vor allem aber auf Fun oder Krawall aus seienden Die-Hard-Fans geformt und verfestigt. Mit der entsprechenden Abneigung gegenüber dem Auftreten dieser Gruppen – das bisweilen durchaus eine gewisse Arroganz zu zeitigen scheint. Vielleicht aber nur der Versuch ist, eine bestimmte Sicht auf den Fußballsport zu befördern?

Ausgangspunkt für „footballuprising“: die Beteiligung von Fußballfans an den weltweit stattfindenden politischen Protesten und Aufständen. Bilder aus Istanbul oder Kairo sind politisch interessierten LeserInnen sicherlich noch vor Augen – Bilder von Fangruppen, die Proteste gegen Regierungen und Polizeigewalt unterstützten, die tatsächlich in solchen Momenten mehr einer Bürgerbewegung glichen denn einer Blase von Fußballfans.

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Wroclaw-Ultras zeigen rassistische Choreo

https://www.youtube.com/watch?v=Vs_ZiwzBn9I

Von  jaso

Ultras des polnischen Erstligisten Slask Wroclaw haben vor dem Spiel gegen Lech Posen mit einer rassistischen Choreo für einen Skandal gesorgt.

In der Kurve der Heimfans wurde eine riesige Blockfahne hochgezogen, das einen Kreuzritter in Mitteleuropa und drei Flüchtlingsboote im Mittelmeer zeigte. “Wenn Europa von der islamischen Pest überschwemmt wird, lasst uns das das Christentum verteidigen”, war als Schriftzug zu lesen. “Ganz schön arbeitsintensiver Rassismus”, kommentierte ein Twitterer die Choreo zynisch:

Dario Brentin @sportingbalkans: That’s some labour-instensive racism! #Slask Wroclaw tifo y’day: ‘Stand in defense of Christianity’ #refugeeswelcome

Die drei Boote trugen die Schriftzüge “USS Hussein”, “USS Isis” und “USS Bin Laden”. Die große polnische Zeitung “Gazeta Wyborcza” thematisiert die Choreo auf ihrem Ableger “sport.pl” nur nüchtern und nachrichtlich.

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Die Flüchtlingshasser aus der Kurve

“Schmeißt sie raus, die Flüchtlinge!” In deutschen Fußballstadien ist Rassismus größtenteils verpönt, in Polen mehrheitsfähig. Konservative Politiker applaudieren.

Von Thomas Dudek

Legia Warschau versteht sich als Nonplusultra des polnischen Fußballs. Doch der Club hat es nicht leicht. Nach Niederlagen gegen den FC Midtjylland und den SSC Neapel braucht der Verein am Donnerstag einen Erfolg gegen den FC Brügge, um in der Europa League zumindest noch theoretisch Chancen auf das Erreichen der K.0.-Phase zu haben. Und dann sind da noch die Fans, die Żyleta, die Rasierklinge, wie die in Polen berüchtigte Kurve der Legia-Ultras heißt.

Seit Jahren fallen die immer wieder durch Gewalt, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf. “Ganz Legia schreit laut und deutlich: Nein zu der islamischen, wilden Horde”, schallte es im September im Heimspiel gegen Zagłębie Lubin aus der Kurve. Die Ultras präsentierten auch ausländerfeindliche und antiislamische Transparente.

In der Flüchtlingskrise gehören solche Szenen mittlerweile zum Alltag in den polnischen Kurven. Nur einen Tag nach den Vorfällen in Warschau skandierten Fans von Lech Posen: “Islamist, die dreckige Hure, uns Polen wirst Du niemals ebenbürtig sein. Das ganze Stadion singt mit uns: schmeißt sie raus, die Flüchtlinge.” Dazu präsentierten sie ein Plakat, das auch für jeden Fernsehzuschauer gut sichtbar war. “Das ist für uns selbstverständlich, wir wollen keine Flüchtlinge in Polen”, stand darauf. In der für die EM 2012 errichteten Arena von Wrocław wiederum zeigten die Ultras des heimischen Vereins Slask gemeinsam mit denen von Jagiellonia Białystok ihren Hass auf die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten. “Haut den Araber” und “Raus mit den Flüchtlingen”, hallte es aus beiden Kurven.

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Polnische Fußballfans boykottieren Flüchtlingshilfe

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Von Ronald Tenbusch

“Willkommen in der Hölle”: Zum Start der neuen Europapokalsaison wollen alle Mannschaften einen Euro pro verkauftem Ticket für Flüchtlinge spenden. Polnische Fans aber rufen zum Boykott auf.

Die europäischen Klubwettbewerbe sind für alle Teilnehmer ein höchst lohnendes Geschäft. 1,638 Milliarden Euro schüttet der Kontinentalverband Uefa in dieser Saison in Champions League und Europa League aus. Schön, wenn die Klubs einen Teil davon an die weitergeben, die es besonders nötig haben.

Unter dem Motto “90 Minuten für mehr Hoffnung” wollen die 80 teilnehmenden Vereine in der aktuellen Flüchtlingskrise ein Zeichen setzen. Deshalb beschlossen sie am Dienstag, für jedes Ticket, das sie beim ersten Heimspiel der Gruppenphase verkaufen, einen Euro zu spenden.

“Wir sind sehr zufrieden, dass alle Klubs teilnehmen”, sagte Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsboss des FC Bayern München und Chef der europäischen Klubvereinigung ECA. Doch dass sich alle Klubs solidarisieren, heißt noch lange nicht, dass auch alle Fans die Aktion unterstützen. Und so regt sich in einigen Lagern lauter Protest. Besonders heftig wehren sich in Polen Fangruppen der Europa-League-Teilnehmer Lech Posen und Legia Warschau.

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Poznań – nationalists attack an anarchist squat and café

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Von Collectives Od:zysk/Rozbrat

On 7th June Lech Poznań football team won the Championship of Poland. Using the cover of celebrations, far right hooligans attacked Od:zysk squat  in the centre of the city. There was also an attack on anarchist bookshop Zemsta: the doors were set on fire and flares have been thrown inside the building through the broken windows.
This is the statement from Od:zysk/Rozbrat squats collectives on these incidents:

Yesterday we were once again witnesses to how being “antisystem” works in the case of the far right. Nationalists, who have been infiltrating community of football fans for years, are trying to use the popularity of football. After yesterday’s match, the “opponents” of power didn’t take the opportunity to attack the building that is represented by Platforma Obywatelska (Civic Platform, the ruling party) – the Voivodship Office

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Nachbetrachtung und Richtigstellung: Ein toter polnischer Fan, ein beendeter Streik und (keine) klassenkämpferische(n) Ultras

R.I.P Dawid Gedenken an polnischen FanRot Weiss Essen gegen KFC Uerdingen am 08. Mai 2015

In meinen beiden Beiträgen von letzter Woche, Der kommende Spieltag, ein gekillter Fan in Polen und der Streik der Bahner sowie Bratwurst oder Bambule? setzte ich mich mit den Möglichkeiten von Fanaktionen zum aktuellen politischen und sozialen Geschehen auseinander.

Das erste darin erwähnte Ereignis wurde – wenig überraschend – in sehr vielen, nicht nur deutschen Stadien, am letzten Wochenende zahlreich kommentiert: Beim Viertligaspiel in Knurów bei Katowice am 02. Mai wurde ein 27-Jähriger Fan von einem Gummiprojektil der Polizei am Hals getroffen und starb in einem Krankenhaus. Daraufhin griffen Hooligans die Polizeistation in Knurów, das rund 40.000 Einwohner hat, mit Steinen und Molotowcocktails an. Ein lesenswerter Beitrag zu den Solidaritätsaktionen sowie den Hintergründen findet sich auf Ballesterer Online: Fan, Vater, Kumpel. Ein weiterer bei Faszination Fankurve: Große Anteilnahme am Tod von Dawid.

Anders verhielt es sich jedoch – wenn auch nicht unerwartet – in Bezug auf die Streikenden bei der Bahn. Meines Wissens kam es zu keinerlei Äußerungen der Solidarität seitens der Fans – weder auf den Bahnhöfen noch in den Stadien. Die (organisierten) Fußballfans scheinen mit dieser Ignoranz allerdings voll im gegenwärtigen Trend zu liegen. Auch von Seiten der (radikalen) Linken wie auch von Basisgewerkschaftern kam es allenfalls hier und da zu kleineren Solidaritäts-Akti(önch)en sowie zu zahnlosen Solidaritätsbekundungen in Form langweiliger Traktate. Keinen besetzten Bahnhof, keine mächtige Demo und auch nicht “die eine oder andere direkte Aktion gegen die Streikfeinde”, wie es das Lower Class Magazine empfahl, gab es zu verzeichnen.

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