Proteste von Fußballfans in Ägypten und in der Türkei Geschlossene Abwehrkette

Von James M. Dorsey

Der Kampf der autoritären Staats- und Regierungschefs in der Türkei und in Ägypten um die Kontrolle der Fußballstadien und öffentlichen Räume versetzt militante Fußballfans in Aufruhr.

Jahrelange Auseinandersetzungen in den Stadien und bei Massenveranstaltungen griffen von den Tribünen auf die Straßen über und mündeten 2011 in Proteste gegen die Regierung, die schließlich zum Sturz des ägyptischen Staatspräsidenten Hosni Mubarak führten. 2013 erschütterten die Protestbewegungen auch die Türkei und ließen in der Folge die autokratischen Züge von Präsident Recep Tayyip Erdoğan erstarken.

Der vom General zum ägyptischen Präsidenten mutierte Abdel Fattah al-Sisi verlagerte eine neue Abteilung seines Innenministeriums nach Neu-Kairo, östlich der ägyptischen Hauptstadt, in die dortige Polizeiakademie. Hierhin wurde das Ministerium zuvor aus der Innenstadt von Kairo verlegt, wo es seit längerem Ziel von Protesten ist. Die Polizeiakademie fasst die Generalstaatsanwaltschaft, die Staatssicherheit sowie Justizbehörden mit der Absicht zusammen, den Demonstranten in Zeiten steigender Unzufriedenheit die symbolischen Ziele ihres Protestes zu nehmen.

“Die Sicherheitslage ist eng verbunden mit den regierungskritischen Aktionen gewisser Demonstranten im Zentrum von Kairo, die Chaos im Land verbreiten wollen”, so der ehemalige Leiter der Polizeiakademie, General Ahmad al­-Badry, gegenüber der Online-Publikation “Al-Monitor”.

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Hooligans: “Isis – Where are you?”

Polnische Hooligans beim EM-Qualifikationsspiel gegen England.

Von Fabian Scheler

Tausende Hooligans werden zur Fußball-EM erwartet. Neben Bier und Bizeps ist ihnen jetzt auch der Islam wichtig. Als Feind.

Es sind Bilder aus der Ukraine, aus Polen und aus Belgien. Muskelbepackte Männer posieren mit einem T-Shirt oder halten eine Fahne. Ihre Botschaft ist immer die gleiche: “Turkey not welcome”. Hooligans gegen die Türkei. Die französische Kampfsportmarke Pride France veröffentlicht diese Aufnahmen regelmäßig auf ihrer Facebook-Seite. Ihr Gründer zeigt gerne seinen mit einem Hakenkreuz tätowierten Rücken in sozialen Netzwerken. Bislang war das Label nur unter Kämpfern beliebt. Nun aber steigen sie aus dem Ring in die Gesellschaft: Vor der EM heizen Hooligans die politische Stimmung auf.

Wie bei jedem großen Fußballturnier werden auch zur EM Hooligans anreisen. Breitschultrige Schläger, die auf Kämpfe mit anderen Stiernacken oder der Polizei hoffen. Früher tranken sie sich mit viel Bier Mut an, suchten andere Schläger, die genauso viel soffen, aber eine andere Fahne trugen, und begannen, aufeinander einzudreschen. Doch in Frankreich wird wohl ein bisher unbekannter Charakterzug hervortreten: Die Hooligans haben angefangen, nachzudenken. Oder zumindest denken sie das.

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Turkish soccer brawls: The battle for the future of the Kemalist state

Vom James M. Dorsey

Turkish President Recep Tayyip Erdogan dresses up his increasing authoritarianism with nationalist and religious overtones, sparking battles over the future of the Kemalist state. Those battles, pitting nationalist and conservative forces against secularists and Kurds, are nowhere more evident than on Turkish soccer pitches.

A series of incidents in recent months highlighted the mounting tensions in Turkish society. Controversy rages over what actually happened in some of the incidents, particularly those in remote locations or that occurred away from the prying eyes of fans and/or the media,

The underlying political and social battles are nonetheless evident and beyond dispute irrespective of who did what to whom when. The incidents frequently occurred in matches between teams who represent very different and frequently diametrically opposed visions of what the Turkish state and society should be.

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Veranstaltung: Zwischen Eigentor und Aufstand: Ultras in den gegenwärtigen Revolten

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Die Veranstaltung findet am Samstag, den 04. Juni 2016 um 12:00 Uhr in Berlin im Mehringhof statt.

Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft stellen die Zeitschrift kosmoprolet vor und besprechen speziell den Text darin: “Zwischen Eigentor und Aufstand: Ultras in den gegenwärtigen Revolten.”

Im letzten Zyklus der Kämpfe betrat eine neue Kraft die Bühne: Organisierte Fußballfans waren an vielen Aufständen rund um den Globus beteiligt; beispielsweise in Tunesien, Ägypten, der Türkei und der Ukraine. Die Ultras nahmen an den Riots teil, ihre Lieder stifteten eine Einheit unter den Protestierenden und im Falle der Gezi-Park-Bewegung organisierte die Supportergruppe Çarşı die ersten Nachbarschaftsversammlungen. Ultras traten jedoch nicht nur bei fortschrittlichen Bewegungen hervor, sondern auch als nationalistische Schlägertrupps, wie am Beispiel der Maidan-Proteste in der Ukraine zu sehen war. Auf der Veranstaltung soll geklärt werden, wie dieser oft im besten Fall als völlig unpolitisch oder kommerzabhängig bewertete Akteur entstehen konnte und wie sein Wirken in den gegenwärtigen Unruhen einzuschätzen ist.

Zum Programm

Vor wem sich Erdogan tatsächlich fürchtet

Der Präsident hat immer Anstoß: Erdogan eröffnet die Vodafone-Arena von Besiktas Istanbul in Abwesenheit von Besiktas Istanbul

Von Michal Pilz

Es war wieder ein Deutscher. Mario Gomez dürfte Recep Tayyip Erdogan den Fußballabend mit seinen zwei Toren gegen Bursaspor verleidet haben. Gomez stürmt als Söldner für Besiktas, den Verein in Istanbul, dessen Gefolge für den Präsidenten noch weniger übrig hat als für jeden, der Fenerbahçe oder Galatasaray für eine geistige Heimat hält.

Als Erdogan das neue Stadion von Besiktas einzuweihen hatte, kam er einen Tag vor dem Eröffnungsspiel. Vor leeren Rängen schritt er hoheitsvoll über den Rasen, führte einen Anstoß aus und ließ sich feiern. Er trug einen Fanschal von Besiktas. Zum Spiel selbst, am nächsten Abend gegen Bursaspor, waren die Ultras in entsprechender Stimmung. Es kam, wie es immer kommt, sobald der Staat sich vor dem Stadion dann noch allzu herrisch auf sein Monopol beruft, Gewalt zu demonstrieren. Eskalieren, Einkesseln, Verhaften. Wasserwerfer. Tränengas.

Die Carsi sind damit vertraut. Den Ultras von Besiktas tritt die Polizei seit den Ereignissen vom Gezi-Park noch feindseliger und energischer entgegen. “Carsi sind gegen alles außer Atatürk”, sagen die Carsi. Sie sind auch dagegen, dass alles, was allen gehört, in Geld für wenige verwandelt wird.

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Turkish soccer pitches tell the story of hardening fault lines

Von James M. Dorsey

Turkish soccer pitches tell the story of the country’s multiple sharpening fault lines that are exploding into political violence on the streets of Turkey’s major cities as the government fuels deep-seated political and ethnic tensions.

The warning signs were long visible on the pitch: increased militarism, ethnic tensions between Kurds and Turkish nationalists, and expressions of empathy with the Islamic State (IS), the jihadist group that controls chunks of Syria and Iraq and that alongside Kurds is believed to be responsible for some of the recent bombings in Istanbul, Ankara and south-eastern Turkey.

In the latest development, authorities on Sunday cancelled the derby between Istanbul arch rivals Galatasary SK and Fenerbahce SK and evacuated fans from Istanbul’s Turk Telekom Arena amid fears of yet another attack.

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Football Is a Political Weapon in Turkey

Patrick Keddie HeadshotVon Patrick Keddie

Turkish football has always been political. When Fuat Hüsnü Kayacan formed the first Turkish-Muslim team – the Black Stockings – in 1903 he was charged in a military court with “setting up goal posts, wearing the same uniforms as Greeks, and kicking balls around.”

The Ottomans had banned Turkish-Muslims from playing the sport as they were suspicious of an activity that was introduced by British expats, and taken up by Armenians, Greeks, and Jews. Some Ottomans believed football violated Islamic codes as the players wore shorts, and some associated the game with the killing of Husayn Ibn Ali, the grandson of the Prophet Mohammed in 680, whose decapitated head was kicked around like a football. Others simply found running after a ball an odd way to behave and worthy of contempt.

Yet, the growing Turkish passion for football could not be repressed. Within the next few years the great Istanbul teams Beşiktaş, Fenerbahçe, and Galatasaray were formed, as political reforms allowed more scope for Turkish-Muslims to play.

The authorities noted the growing popularity of the sport and attempted to harness its power to help build Turkish nationalism.

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Call for international solidarity

Vamos Bien, Turkey

Von Vamos Bien

Vamos Bien calls for international solidarity  with Amedspor’s ultras group Barikat from all Antifa groups overall Europe. –

Turkey is getting through a political chaos, due to street wars happening in eastern Turkey. After peace process collapsed, government started a new phase of war in the whole country.

Now,  we are facing with this new phase in the stadiums. Amedspor, a team from Diyarbekir (Amed is the Kurdish name of the city), played against Istanbul Basaksehir, a team backed by government. Even with the 3 division difference between two clubs, first game ended with a draw even with the 2 red cards of Amedspor. On 28th of January, the second leg of the match-up took place in Istanbul and we attended the game as Vamos Bien also with our friendly group Barikat from Amedspor (Barricade in Turkish).

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35 çArşı – Ultras vom Vorwurf des Putschversuches freigesprochen!

35 çArşı – Ultras wurden gestern vom absurden Vorwurf  der terroristischen Vereinigung und des Putschversuches während der Gezi-Park-Revolte freigesprochen! 

Allerdings wurden zwei Fußballfans wegen des “Besitzes verbotener Gegenstände” zu zwei Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt.
Zu den Hintergründen der Revolte und der Beteiligung von Fußballfans produzierten Ralf Heck, James Steen und Bob Dilan im Sommer 2015 anlässlich des zweiten Jahrestages von Occupy Gezi für footballuprising das Radio-Feature Die Hippie-Hools vom Gezi-Park.

 

Zwischen Rebellion und Affirmation, oder: Ultras sind politisch und auch wieder nicht

derpassVon Stefan Erhardt (Der Tödliche Pass Heft 79)

Ein Gespräch mit Ralf Heck, dem Betreiber des Blogs „footballuprising“

Seit knapp zwei Jahren gibt es den Blog „footballuprising“ – darin finden sich äußerst lesenswerte Analysen und Reflexionen vor allem zur politischen Wirkweise von Fußballfans, speziell von Ultra-Gruppierungen, die nicht nur in Europa, sondern auch darüber hinaus agieren.

Allerdings geht es nicht um Glorifizierung oder Rechtfertigung, sondern um differenzierte Meinungen und Berichte, etwas, das im Zusammenhang mit Ultras nicht immer zu finden ist, im Gegenteil: Allzu schnell hat sich in den Mainstream-Medien das Bild von den sich selbst feiernden, eine gewisse rebellische Attitüde zelebrierenden, vor allem aber auf Fun oder Krawall aus seienden Die-Hard-Fans geformt und verfestigt. Mit der entsprechenden Abneigung gegenüber dem Auftreten dieser Gruppen – das bisweilen durchaus eine gewisse Arroganz zu zeitigen scheint. Vielleicht aber nur der Versuch ist, eine bestimmte Sicht auf den Fußballsport zu befördern?

Ausgangspunkt für „footballuprising“: die Beteiligung von Fußballfans an den weltweit stattfindenden politischen Protesten und Aufständen. Bilder aus Istanbul oder Kairo sind politisch interessierten LeserInnen sicherlich noch vor Augen – Bilder von Fangruppen, die Proteste gegen Regierungen und Polizeigewalt unterstützten, die tatsächlich in solchen Momenten mehr einer Bürgerbewegung glichen denn einer Blase von Fußballfans.

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