Zwischen Rebellion und Affirmation, oder: Ultras sind politisch und auch wieder nicht

derpassVon Stefan Erhardt (Der Tödliche Pass Heft 79)

Ein Gespräch mit Ralf Heck, dem Betreiber des Blogs „footballuprising“

Seit knapp zwei Jahren gibt es den Blog „footballuprising“ – darin finden sich äußerst lesenswerte Analysen und Reflexionen vor allem zur politischen Wirkweise von Fußballfans, speziell von Ultra-Gruppierungen, die nicht nur in Europa, sondern auch darüber hinaus agieren.

Allerdings geht es nicht um Glorifizierung oder Rechtfertigung, sondern um differenzierte Meinungen und Berichte, etwas, das im Zusammenhang mit Ultras nicht immer zu finden ist, im Gegenteil: Allzu schnell hat sich in den Mainstream-Medien das Bild von den sich selbst feiernden, eine gewisse rebellische Attitüde zelebrierenden, vor allem aber auf Fun oder Krawall aus seienden Die-Hard-Fans geformt und verfestigt. Mit der entsprechenden Abneigung gegenüber dem Auftreten dieser Gruppen – das bisweilen durchaus eine gewisse Arroganz zu zeitigen scheint. Vielleicht aber nur der Versuch ist, eine bestimmte Sicht auf den Fußballsport zu befördern?

Ausgangspunkt für „footballuprising“: die Beteiligung von Fußballfans an den weltweit stattfindenden politischen Protesten und Aufständen. Bilder aus Istanbul oder Kairo sind politisch interessierten LeserInnen sicherlich noch vor Augen – Bilder von Fangruppen, die Proteste gegen Regierungen und Polizeigewalt unterstützten, die tatsächlich in solchen Momenten mehr einer Bürgerbewegung glichen denn einer Blase von Fußballfans.

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Attacks on black fans show rising tide of fan racism amid Ukraine’s turmoil

Von James Ellingworth

KIEV, Ukraine — Instead of being one of the biggest sports events of the year in troubled Ukraine, Dynamo Kiev’s game against Chelsea in the Champions League turned into a public display of the country’s struggle to contain violent racists.

Echoing past decades of European football violence, at least eight people were brutally beaten at the game, including a 21-year-old African student.

While clashes between rival fans are comparatively common at Ukrainian league games, racist attacks on such a large scale are rare. This comes at a time when the country’s small black population is under pressure.

“Around the 25th minute, I started to take photographs on my phone,” the student told The Associated Press. “When I picked up the phone to look at the photographs I’d taken, I was hit. I fell down some stairs and felt almost as if I had lost consciousness.”

The Congolese student, who asked not to be identified for fear of reprisals, spent almost a week in hospital with a head wound and injuries to his nose which required surgery. A keen football fan who attended games in his previous home in a provincial Ukrainian city, he now says he cannot face going to the stadium again.

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Wir Wohlstandsultras

 

Von Ricordate

GELESEN

Wir Wohlstandsultras

Anmerkungen zu Ralf Hecks „Zwischen Eigentor und Aufstand. Ultras in den gegenwärtigen Revolten“

Einleitung

– zu Beginn 3 Zitate die bereits zum Nachdenken anregen: Nanni Balestrini, bei uns bekannt durch die Ultrà-Pflichtlektüre I furiosi, benennt das alte Laster der Intellektuellen, für die das soziale Subjekt schön, gut und wohlerzogen sein muss. Hm. Ist das noch so? Als Entgegnung fällt mir zwar der Intellektuelle Pasolini und seine Solidarisierung mit dem italienischen Proletariat ein (wozu für ihn auch Polizisten gehörten), aber eben auch zig mehr oder weniger Intellektuelle, die tatsächlich immer etwas von oben herab über – Betonung auf „über“ – diejenigen reden, zu denen sie forschen oder die statt ihrer die Revolution machen sollen.
Im 2. Zitat äußert sich 1982 der damalige Anführer der Roma Ultras über die Ähnlichkeit miteinander verfeindeter Ultras und die potentielle Möglichkeit, eines Tages miteinander vereint zu kämpfen. Tja. Würden wir das beherzigen, hätten Fußballverbände und Politik nicht soviel Macht über uns.
Das 3. Zitat stammt von einem der Ultras White Knights, der 2012 erklärte, dass er den Fußballhooliganismus für eine größere Sache, nämlich die Revolution vernachlässigt habe und damit nicht der Einzige sei. Bei so etwas frage ich mich immer, wie wir in einer ähnlichen Situation handeln würden. Aber wir würden nicht handeln. Wir würden wie immer vor lauter Diskutiererei und Grabenkämpfen zu nix kommen.

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Werbung! Lesen! Ultras! Revolten!

kosmoprolet_4_coverDefinitiv kein Fanzine, dieses Heft, aber alleine der Artikel über „Ultras in den gegenwärtigen Revolten“ lohnt schon den Kauf – versprochen!
Versprochen auch eine Rezension des Textes, dessen korrekte Überschrift „Zwischen Eigentor und Aufstand“ lautet, und die – nein, ihr werdet hier jetzt nicht dieses Modeadjektiv lesen, das im Grunde nichts Anderes darstellt als eine Weigerung sich festzulegen – im Laufe der kommenden Woche unter „Zeckenbiss online“ eingestellt wird.

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Quelle: Sankt Pauli Mafia, 06. September 2015

Interview: Lieder der Revolte

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Von Florian Nussdorfer

Fußball ist Fußball und Politik ist Politik? Von wegen: In zahlreichen Ländern der Welt beteiligen sich Fußballfans und Ultras aktiv an Aufständen und Revolten. Der Blogger Ralf Heck hat sich intensiv mit dieser Thematik befasst und war unter anderem während der Gezi-Park-Proteste in Istanbul. Wir sprachen mit ihm.

Ralf, du hast dich intensiv mit der Beteiligung von Ultras an weltweiten Aufständen beschäftigt. Welche Beispiele gibt es für solch ein aufständisches Mitwirken von Ultra-Gruppierungen?
Da gibt es so einige: Angefangen vom Jahr 2008 bei der Dezemberrevolte in Griechenland bis hin zu den Unruhen in Bosnien-Herzegowina im Februar letzten Jahres konnte man eine große Beteiligung von Ultras beobachten. Darüber hinaus haben bei den Occupy-Protesten in Israel 2011/12, die sich vor allem gegen steigende Mieten richteten, die Ultras von Hapoel Tel Aviv mitgemischt. Recht berühmt für die Beteiligung von Fussballfans dürfte sicherlich auch der Aufstand in Tunesien sein, der ja als Anfang des arabischen Frühlings gilt und letztendlich eine ganze Welle weiterer Erhebungen in anderen Ländern ausgelöst hat. Dort haben Oppositionsgruppen im Vorfeld der Revolte Kontakt zu den Ultras aufgenommen, weil diese im Kampf gegen die Polizei erfahren waren. Die prominentesten Beispiele sind aber sicherlich die Aufstände in Ägypten, der Türkei und jene in der Ukraine, letzteres jedoch eher im negativen Sinn.

Inwiefern?
In der Ukraine haben die Ultras auch eine besondere Rolle gespielt, insbesondere bei den militanten Auseinandersetzungen mit der verhassten Polizei. Leider war die dortige Revolte, die sich gegen ein zutiefst autoritäres Regime richtete, eher reaktionär und nationalistisch geprägt. Zwar haben über 30 Gruppen aus den drei ersten Ligen ein Friedensabkommen geschlossen, um sich gemeinsam am Widerstand gegen das Regime zu beteiligen – unter anderem die Ultras von Dynamo Kiew, die Banderstadt Ultras aus Lwiw aber auch jene aus dem Osten des Landes. Allerdings haben sich viele Ultras dem Rechten Sektor und anderen nationalistischen Gruppen angeschlossen. Auch bei dem Angriff auf das Gewerkschaftshaus in Odessa, bei dem viele Menschen ums Leben kamen, waren sie zahlreich vertreten. Momentan organisieren Teile der Ultras die nationale Mobilmachung in den zahlreichen Rekrutierungszentren für den Bürgerkrieg im Osten.

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Ukrainische Hooligans: Zwischen Propaganda und Randale

Von Andrej Reisin

Fotostrecke: Stürmen, schlagen, treten

Ukrainische Hooligans haben Partien im Europapokal zuletzt mehrfach für Krawall genutzt – mit der Entschuldigung, sie seien politisch provoziert worden. Belege wurden dafür allerdings bisher kaum geliefert.

Ende Februar war in Kiew eine außergewöhnliche Begegnung zu sehen: Der französische Pokalsieger “En Avant de Guingamp” trat in der Zwischenrunde der Europa League bei Dynamo Kiew an. Der Klub aus dem kleinen Städtchen Guingamp in der Bretagne gilt als Talentschmiede, die bereits Spieler wie Didier Drogba, Laurent Koscielny oder Florent Malouda hervorbrachte.

Außergewöhnlich wurde die Begegnung tatsächlich, allerdings auf unschöne Weise: Gut zehn Minuten vor dem Ende rennen Dutzende Dynamo-Fans in den Innenraum des Stadions undwollen den Gästeblock stürmen. Die kleine Schar französischer Anhänger flüchtet in Panik aus dem Stadion. Die Partie wird für knapp zehn Minuten unterbrochen.

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Ukraine: Nationalist Flags, Insignia and Curious Symbolism

Von Nikolas Kozloff

UKRAINE FLAG

A year ago, during protests against the unpopular government of Viktor Yanukovych, Kiev’s Maidan square was full of activist encampments and a plethora of diverse political flags. On the Maidan, nationalism was often associated with pro-European Union sentiment, and indeed EU blue and yellow flags could be seen fluttering alongside the Ukrainian flag. Today, in the wake of demonstrations which toppled the regime, such outward displays are less evident on Maidan square, which can seem rather empty and desolate during weekdays. Indeed, during the first few days of my stay I didn’t see overt political symbolism save for one young woman brandishing her own home-made blue flag reading “tours.”

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Ukraine – Krieger in coolen Turnschuhen

Von Daniel Ryser, Philipp Natzke (Text) und Kristina Cerniauskaite (Fotos)

Die verfeindeten ukrainischen Ultras und Hooligans von Dynamo Kiew, Arsenal Kiew und Schachtar Donezk haben einen Waffenstillstand vereinbart. Der neue gemeinsame Feind von rechtsextremen und antifaschistischen Gruppen heisst Russland. Ein Besuch in Kiew.

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Sergej und Alex, die uns in Kiew am Flughafen abholen, entschuldigen sich, dass der silbergraue Lexus mit den getönten Scheiben stinkt wie ein moderndes Secondhandlager: Hunderte Armeeoveralls hätten transportiert, schusssichere Westen ins Kriegsgebiet gebracht werden müssen.

Die beiden jungen Männer von Dynamo Kiews Hooligangruppe «Trudowi Rezerwy», zu deutsch «Arbeitskraftreserve», investieren ihre Freizeit, um die Truppen – die freiwilligen wie auch jene der heruntergekommenen ukrainischen Armee – mit Material zu versorgen: mit Kleidung, Kampfgerät, Nahrung. Die Armee, sagen sie, sei komplett heruntergewirtschaftet, zerfressen vom «ukrainischen Krebs», wie Alex sagt, der Korruption. Dieser Krebs, sagt er, sei auch der Grund, warum er als Anwalt, sein eigentlicher Beruf, viele Fälle ablehne: «Häufig bräuchte ich keine juristischen Kenntnisse, sondern nur ein Scheckbuch.»

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