Ab 2018 ist schweizweit Hausarrest mit einer elektronischen Fussfessel möglich. Das Tessin will vorher ein GPS-System für Eishockey- und Fussballrowdys testen, die Stadionverbot haben.
Gefängnisse beklagen sich in der Regel nicht über Unterbelegung, sondern über das Gegenteil. Daher diskutiert man schon lange über das sogenannte Electronic Monitoring, das in bestimmten Fällen den Strafvollzug ausserhalb von Haftanstalten erlaubt. Es geht also um Hausarrest, der mittels einer elektronischen Fussfessel kontrolliert wird. Bereits seit 1999 laufen mit Bewilligung des Bundesrates in den Kantonen Bern, Basel-Stadt/-Landschaft, Genf, Waadt und Tessin sowie seit 2003 in Solothurn und seit 2015 in Zürich Pilotversuche mit Fussfesseln. Vielen ist auch der Fall des international renommierten Filmregisseurs Roman Polanski in Erinnerung, der 2009 wegen Missbrauchsvorwürfen in seinem Berner Oberländer Chalet mit einer Fussfessel festsass.
Diese kommen als alternative Vollzugsform vor allem für kurze Freiheitsstrafen in den eigenen vier Wänden zum Einsatz. Die meisten Pilotkantone konzentrieren sich auf Fussbänder mit Funksignalen: Die elektronische Fessel ist mit dem Festnetztelefon am Wohnort der verurteilten Person verbunden und ermöglicht so die Standortkontrolle. Zürich wiederum und ansatzweise auch das Tessin testen GPS-Fesseln, die eine Bewegungskontrolle mittels Satellit erlauben.
Landesweite Einführung hat sich verzögert
Die Pilotkantone seien nach wie vor vom Nutzen des Electronic Monitoring überzeugt, sagt Peter Häfliger vom Bundesamt für Justiz. Die Fussfessel komme in diesen Kantonen pro Jahr insgesamt in etwa 250 Fällen zum Einsatz. Ein wichtige Voraussetzung sei hierbei, dass die betroffene Person einem Vollzugsplan zustimme. Laut Häfliger arbeiten zurzeit alle Kantone an einem gesamtschweizerischen Umsetzungskonzept: Die elektronische Fussfessel als Vollzugsform für kurze Freiheitsstrafen sowie in der Schlussphase von langen Freiheitsstrafen wird endgültig auf den 1. Januar 2018 eingeführt.
Um Opfer häuslicher Gewalt oder sexueller Übergriffe besser zu schützen, sind seit 2015 neue Gesetzesartikel in Kraft. Es können Tätigkeits-, Kontakt- und überdies Rayonverbote ausgesprochen werden. In diesem Zusammenhang ist es auch möglich, elektronische Fussfesseln einzusetzen, um die Einhaltung der Verbote zu kontrollieren. Eigentlich hätte ab 2016 auch der elektronisch überwachte Strafvollzug bereits landesweit eingeführt sein sollen. Doch viele Kantone waren noch nicht so weit, was die Anpassung der Ausführungsgesetze und die Infrastruktur für das Electronic Monitoring anbelangt. Also musste der Bund im September 2015 die Bewilligungen für die Fussfessel-Pilotprojekte verlängern; neu durften die testenden Kantone auch GPS-Fussfesseln einsetzen. Und nun naht die Ära der Fussfessel endgültig.
Von der GPS-Bewilligung machte der Kanton Zürich gezielt Gebrauch: Zunächst erprobte eine Reihe von Justizbeamten im Selbstversuch Fussfesseln mit Satelliten-Ortbarkeit, danach wurden die Fussbänder mit jugendlichen Straftätern getestet. Prüfstein waren vor allem Tunnels und öffentliche Verkehrsmittel, weil dort der Empfang möglicherweise gestört ist. In rarem Einsatz waren GPS-Fussfesseln bereits auch südlich des Gotthards: Laut Häfliger vom Bundesamt für Justiz geht aus einem Bericht der Tessiner Strafvollzugsbehörden hervor, dass 2015 die ortbare Fussfessel im Südkanton einmal bei einem vorzeitigen Strafantritt und zweimal zur Kontrolle von Weisungen bewilligt wurde.
Das Tessin, wo derzeit acht Personen eine Fussfessel tragen, steckt noch in der Testphase. Es will aber nächstes Jahr das neue System der «Geolokalisation» einführen: Einzig mit einem GPS-Fussband sei es möglich, Rayonverbote wirksam durchzusetzen, sagt Luisella Demartini, Leiterin des Bewährungsdienstes des Kantons Tessin. Weil nach ihren Worten Fussfesseln ab 2017 im Tessin sowohl Funksignale wie auch GPS aufweisen werden, kann überdies nicht nur die Verletzung eines Hausarrests, sondern auch der genaue Aufenthaltsort der betreffenden Person festgestellt werden – und zwar mithilfe einer Smartphone-App. Wie das Tessin wollen auch vier welsche Kantone eine Fussfessel einsetzen, die beide Systeme miteinander kombiniert, während die übrigen Kantone offenbar nur die Kontrolle via Funksignal einführen werden.
Schweizer Premiere
Die Ortung via Satellit für die Kontrolle des Rayonverbots soll sich im Tessin nicht nur auf Urheber häuslicher Gewalt oder Sexualstraftäter beziehen. Die kantonalen Behörden möchten auch eine Anwendung für Personen testen, denen es verboten ist, sich Eishockey-Anlagen oder auch Fussballplätzen zu nähern, so Demartini. Es werde nicht nur ein Alarm ausgelöst, sondern eben auch eine genaue Lokalisierung der Person ermöglicht.
Mit anderen Worten: Es handelt sich um Hooligans mit Stadionverbot, die man so besser in den Griff kriegen könnte. Laut Demartini gibt es aber noch keine gesetzliche Möglichkeit, auf administrativem Wege Stadionverbote mittels Electronic Monitoring zu kontrollieren. Im Rahmen des Strafrechts hingegen sind im Tessin drei solche Verbote ausgesprochen worden, die auch mittels GPS überprüft werden dürfen. Wird also das Tessin vermutlich der erste Kanton sein, der GPS-Fussfesseln auch für Hooligans mit Stadionverbot einführt? Demartini bejaht dies.
Twitter: @peterjankovsky
Quelle: NZZ, 31. Oktober 2016