Am 10. November 1990 gedachten Fans beim Spiel des FC Berlin gegen den HFC Chemie des getöteten Mike Polley. Foto: Bernd Settnik / Wiki CC-Lizenz
Von FuPa Berlin
Am 3.11.1990 kam es in Leipzig zu den Ereignissen, die zum Tode von Mike Polley führten. Polley kam während der Ausschreitungen rund um das Oberliga-Spiel zwischen dem FC Sachsen Leipzig und dem FC Berlin (heute BFC Dynamo) durch Schüsse eines Polizisten ums Leben.
Am 3.11.1990 besuchte der FC Berlin-Fan Mike Polley in Leipzig das Spiel seines Vereins gegen den FC Sachsen Leipzig. Nachdem die Leipziger Polizei die FCB-Fans nicht ins Stadion ließ, kam es zu mehrstündigen Krawallen, bei denen Polizisten auf dem Bahnhofsgelände von Leipzig-Leutzsch von den FCB-Anhängern umringt wurden. Sie fühlten sich bedroht und schossen in die Menge. Polley wurde von einer Polizeikugel tödlich getroffen. Der Hergang der Tat ist bis heute ungeklärt.
Die taz berichtete in ihrer Ausgabe vom 05.11.1990: “Nachdem die vor dem Stadion aufgebauten Polizeiketten massiv mit Raketen und Reizgas angegriffen worden waren, ließ Einsatzleiter Krompholz Tränengas einsetzen, was – so seine eigene Darstellung – ‘wunderbar klappte’. Beim weiteren Vordringen gegen die Hooligans geriet die zahlenmäßig unterlegene Polizei am Leutzscher Bahnhof jedoch in die Klemme. Sie wurde von zwei Seiten von den Hooligans eingekesselt, mit Pflastersteinen und Raketen befeuert und mit Eisenstangen angegriffen. In dieser Situation gab der Einsatzleiter den Befehl zum Einsatz der Schußwaffe. Erst nach einer Weile waren Stimmen zu hören, daß es dabei Verletzte gegeben habe. Schließlich kamen einige Jugendliche mit erhobenen Händen aus der Seitenstraße und teilten der Polizei beinah geschäftsmäßig mit, daß sie einen Toten hätten.”
Augenzeugen sprachen von einem hinterrücks getätigten Schuß und davon, dass die Polizei auf fliehende Fans geschossen habe. Trotz Einleitung von 80 Ermittlungsverfahren gegen bekannte und 74 gegen unbekannte Personen, wurde die Tat nicht aufgeklärt.
Ein Augenzeuge von damals auf ostfussball.com: “Mike Polley hatte zum Zeitpunkt, als ihn die Schüsse trafen, einen Abstand von etwa 100 Metern zu den Schützen. Erst nachdem aufgehört wurde zu schießen, kam den Fans richtig zu Bewusstsein, dass scharf geschossen worden war. Es lagen mehrere Verletzte am Boden. Eine unbeteiligte Frau auf dem Bahnsteig hatte aus etwa 150 bis 200 Metern Entfernung einen Beindurchschuss erlitten. Mehrere Personen gingen unbewaffnet und mit erhobenen Händen auf die Polizisten zu und riefen: `’Wir haben einen Toten und mehrere Verletzte, wir brauchen einen Notarzt und einen Krankenwagen’. Zur Antwort erhielten sie von einem Polizisten mit gezückter Waffe: ‘Noch einen Schritt und ich schieße!'”
Nach den tödlichen Schüssen zogen die FC-Berlin-Fans und die zahlreich angereisten Hooligans aus Gesamtdeutschland in die Leipziger Innenstadt. Polizeiautos brannten, Läden wurden demoliert und geplündert.
Die Fußballwoche berichtet am 05.11.1990 über die Vorfälle in der Leipziger Innenstadt: “Gegen 16 Uhr werden am Brühl Straßenbahn-Türen aufgerissen. Ein Mann: ‘Etwa 50 junge Männer vermummten sich mit Schals und Kapuzen, rannten zwischen Autos quer über die Fahrbahn zu den Kiosken am Konsument-Warenhaus, zertrümmerten sie, nahmen mit, was ihnen in die Hände kam, warfen die Fenster des Warenhauses ein.’ Danach ziehen sie in Richtung Innenstadt. Am Sporthaus prankt ihnen der Slogan “Wir sind am Ball” entgegen. Wenig später liegt alles in Scherben. In weiteren Geschäften werden die Schaufenster zerschmissen. Im Parkhotel wird randaliert. Die Nikolaistraße sieht aus, als ob ein Orkan gewütet hat.”
Der DFB sah eine “Bedrohungslage” und sagte das für Mitte November 1990 geplante “Vereinigungsländerspiel” zwischen den Fußballnationalmannschaften der DDR und der BRD ab.
Nach den Todesschüssen demonstrierten am 10. November 1990 über 1000 Fußballfans (darunter auch der Spieler Waldemar Ksienzyk vom FC Berlin) in Berlin-Prenzlauer Berg im Rahmen der DDR-Oberliga-Partie zwischen dem FC Berlin und dem HFC Chemie gegen Polizeigewalt.
Das geplante “Vereinigungsländerspiel” wurde dann am 20.10.2010 nachgeholt.
Quelle: FuPa.net, 03. November 2015