Im Folgenden ein lesenswerter Text von Roy Siny über die Fankultur in Israel, der uns von amaranto zur Verfügung gestellt wurde. Ich habe mir vor einiger Zeit nur wegen diesem einen Artikel das ansonsten langweilige – und teure – Buch Gesellschaftsspiel Fußball. Eine sozialwissenschaftliche Annäherung gekauft. Umso erfreuter bin ich, dass Euch dies Dank der tollen Übersetzungsarbeit der Kollegen von Ultra Unfug erspart bleiben wird. Hier geht’s zum Artikel: Sport unter Privatisierungsdruck
R. von footballuprising
Passend zum Freundschaftsspiel des SV Babelsberg mit Hapoel Tel Aviv am 12 Juli 2015 wurde in der Sonderausgabe des Ultra Unfug zum Ultrash Nr. 9 ein Artikel über die Besonderheiten in der Entwicklung des israelischen Fußball veröffentlicht. Wir dokumentieren an dieser Stelle den lesenswerten Text und möchten uns bei Roy bedanken, der ihn zur Verfügung gestellt hat.
Von Roy Siny
Meine erste Erinnerung in Zusammenhang mit Fußball ist, das ich von meinem Vater bei einem Spiel in die Luft geworfen wurde. Es war, wie ich später erfuhr, nach einem Tor beim Derby zwischen Hapoel Tel Aviv gegen Maccabi. Ich war vier oder vielleicht fünf Jahre alt. Damals, in den frühen 1980er Jahren, war der israelische Fußball noch beinah unberührt von irgendeiner Art von Kommerzialisierung und die Spieler begannen erst zu verstehen, welche Vorteile es hatte, Profi-Sportler zu sein. Seitdem ist Fußball für mich nicht nur zur Leidenschaft, sondern auch eine Quelle der Identifikation geworden.
In meiner Klasse war ich einer der wenigen Hapoel-Fans unter all den Maccabi-Anhängern vom damals beliebtesten Verein in Tel Aviv. Ich war der enthusiastischste Anhänger von Hapoel. Damals reichte es, einfach nur ein Fan zu sein. Ich ging ins Stadion, entweder mit meinem Vater oder mit Freunden. Der Support wurde nicht organisiert. Wir alle wussten genau, welche Gesichter uns begrüßen und zum Singen ermutigen würden. Obwohl diese Leute kein Teil einer offiziellen Gruppe waren, wurden sie als nicht-offizielle Führer der Fans akzeptiert. Wir hatten Respekt vor ihren Opfern – denn sie verpassten die meisten Spiele, weil sie mit dem Rücken zum Feld stehend die Masse zum Singen animierten und so das Team unterstützten. Die Stadien waren damals halb leer. Wir wussten, welcher Teil der Traversen uns „gehörte“ und wir handelten dementsprechend. Die Wahl des Blocks war hierbei eher eine zufällige Entscheidung, die mehr von der Höhe des Eintritts als von allem anderen abhing. Gästefans im Stadion, sogar von den am meisten verhassten Teams, waren keine Seltenheit und eine Blocktrennung gab es nicht. Polizeikontrollen waren selten nötig und wenn es zu Auseinandersetzungen zwischen Fans kam, hatten die eher persönliche Hintergründe.
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