Wie sich die Uefa ihre EM zurechtzensiert

Von Die Welt

Prügeleien, Ausschreitungen, Randale: Am Ende des Spiels England gegen Russland ging es im Stadion heiß her. Zu sehen bekam der Fernsehzuschauer davon nichts. Wie die Uefa die Sender drangsaliert.

Kaum war das EM-Vorrundenspiel zwischen England und Russland abgepfiffen, eskalierte die Lage auf einer Seite des Stade Vélodrome in Marseille. Russische Rowdys attackierten englische Fans im benachbarten Block, eine Massenschlägerei brach aus.

Im Fernsehen war davon nichts zu sehen. Einzig der plötzlich leere Tribünenabschnitt fiel manchem TV-Zuschauer auf. Ansonsten waren nur jubelnde Russen und konsternierte Engländer wie Gary Cahill zu sehen, der am Boden liegend nicht fassen konnte, dass England noch das späte 1:1 kassiert hatte.

Die internationale Regie des europäischen Verbandes Uefa wollte der Weltöffentlichkeit von den Ausschreitungen nichts zeigen, das ZDF hatte auf die Bilder keinen Einfluss. Zugleich berichtete Kommentator Oliver Schmidt aber detailliert, was er von der Pressetribüne aus beobachtete: fliegende Fäuste, fliehende Zuschauer, überforderte Ordner.

Und führte damit die Vertuschungsversuche der Bildregie ad absurdum. “Wir wollen nicht, dass Szenen von Gewalt im Fernsehen zu sehen sind”, erklärte die Uefa die Entscheidung am Sonntag.

Es war nicht das erste Mal, dass die Uefa bestimmte Dinge, die nicht in das Bild von friedlichen und fröhlichen Spielen passen, ausblendete: Flitzer, Plakate mit politischen Botschaften oder eben Hooligan-Gewalt. Regelmäßig wurden bei Turnieren in der Vergangenheit unerwünschte Vorkommnisse von der Uefa-Regie nicht gezeigt.

Uefa verpflichtet Sender zur Ausstrahlung bestimmter Beiträge

Auch beim Europa-League-Spiel zwischen Borussia Dortmund und Paok Saloniki im vergangenen Oktober verbot die Uefa den übertragenden Sendern, Bilder von der Eskalation auf den Rängen zu zeigen, als BVB-Anhänger Feuerwerkskörper in den Innenraum und auf benachbarte Zuschauerränge schossen.

Der Uefa geht es, neben der Sicherung eines gewissen Images ihrer Wettbewerbe, auch darum, Randalierern keine öffentliche Plattform zu geben. Aus einem ähnlichen Grund werden auch Flitzer von den Kameras nicht beachtet – sonst würden womöglich noch mehr Nachahmer motiviert, sich ihre fünf Minuten Ruhm abzuholen.

Doch die Kontrolle der Uefa über die TV-Übertragungen ihrer Europameisterschaft endet nicht bei den inhaltlichen Entscheidungen der Live-Regie und bei Randale. Laut Rechtevertrag mit der Uefa sind übertragende Sender wie ARD und ZDF verpflichtet, in ihrem Programm vorproduzierten Uefa-Content auszustrahlen – meist Magazinbeiträge, wie sie auch bei Champions-League-Übertragungen gang und gäbe sind.

Dies vergrößert die Programmvielfalt mit Inhalten, welche die Sender vielfach nicht selbst produzieren könnten – zugleich sind die Interviews der Uefa aber relativ weichgespült, nationale Redaktionen können keinen inhaltlichen Einfluss nehmen.

DFL zeigt auch ungeliebte Vorkommnisse im Stadion

Der europäische Fußballverband handelt dabei ganz nach dem Vorbild seiner Dachorganisation Fifa. Auch bei Weltmeisterschaften sind die Bilder der Turnierregie selektiv und sollen bestimmte unerwünschte Ereignisse im Stadion nicht zeigen.

Dass dieses Vorgaukeln einer heilen Welt im Fußball kein Muss ist, zeigt derweil die Deutsche Fußball Liga. Ausschreitungen bei Bundesligaspielen werden vom Mediendienstleister Sportcast regelmäßig gezeigt und eben nicht ausgeblendet: Auf den Platz fliegende Böller beim Revierderby Schalke gegen Dortmund im Herbst 2013 oder beim Niedersachsenduell zwischen Hannover und Wolfsburg im vergangenen März wurden deutlich im Übertragungsbild eingefangen.

Anders als Uefa und Fifa hat die DFL kein Problem damit, ihren Zuschauern die Realität zu zeigen.

Quelle: Die Welt, 12. Juni 2016

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